Paaradox: Blütenzauber
Sie
Es war einmal ein Mann nebenan, der dachte, das Wort „Hortensie“ wäre irgendein blödes Leiden und „Pelargonie“ der Name eines wirksamen Heilmittels dagegen. Sprach jemand von „Beikraut“, assoziierte er damit Krautsalat mit Speck, idealerweise zu etwas Fleischigem, genossen unter einem narrischen Kastanienbaum im Prater, bei einem Krügel Bier. Zeiten ändern sich, Menschen auch. Und so wurde aus ihm ein Mann gegenüber mit einem eigenen kleinen Garten, in dem, tja, Hortensien wachsen. Gerade bilden sie Knospen, was den Blütenflüsterer im Hufnagl fasziniert. Fast so, als wäre er ihr Papa und sie seine Nesthäkchen.
Woswasi, wurscht!
Täglich, so schwärmt er, wandelt er deshalb frühmorgens ohne Socken durch den Tau seines Grüns, um das Werden und Wachsen von „Hydrangea macrophylla Endless Summer“ wohlwollend zu beobachten. Auch vom rosa aufblühenden Rhododendron (hielt er noch vor wenigen Monaten für den Namen einer Steppe auf einem fernen Kontinent) schwärmt er, wobei es bei der Aussprache noch etwas hapert: Rododingsbums, woswasi, wurscht, schön isser! Offenbar ist ihm ein zarter, grüner Daumen gewachsen und er wurde von Frau Flora, der römischen Göttin der Blumen, wachgeküsst. Das führt zu spannenden Aussagen: Grün ist geil!, zum Beispiel. Oder Blumen sind das Lächeln der Erde. Mitunter wird er dabei ein wenig wunderlich: Etwa, als er mich unlängst fragte, ob ich wüsste, was er im Baumhoroskop sei. „Gummibaum“, meinte ich spontan, sowie Stechpalme, allenfalls Spitz-Ahorn. Nun offenbarte er mir pikiert, dass er, bitteschön, eine harmoniebedürftige Feige sei, die zwar spät Früchte trägt, doch dann: Sensationell, pfuh! Daher nie vergessen, mich gut zu pflegen. Hm, könnte sein, dass ich ihm zum Vatertag den Pflanzenbestimmungskurs „Faszination Botanik“ schenke, sowie eine Hortensie, Sorte „Hanabi“. Schon alleine deshalb, weil sie auch ein bissi nach Fußball und Stadion klingt.
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Er
Da sagt man einmal, dass es schon schön ist, wenn man zu einer Haydn-Sinfonie ein gutes Buch liest, ein gutes Achtel trinkt und im kleinen Garten das eine oder andere Blühen wahrnimmt … prompt wird man zum Botanik-Botschafter erklärt. Selbstverständlich sehe ich so manche zarte Knospe mit anderen Augen, nachdem ich schwitzend (und fluchend) harte Paradiesarbeit verrichtet habe. Aber das macht mich noch lange nicht zum Chefgärtner, der täglich mit einer Engagement-Anfrage aus Versailles rechnet. Die Wahrheit ist: Meine Frau freut sich vor allem aus einem Grund darüber, dass ich endlich den Unterschied zwischen Meisterwurz und Meisterteller kenne: Sie weiß einfach mehr als ich .
Etwas Besonderes
Und sie genießt es, mir ihre Fachkenntnis nahe zu bringen, quasi im „Floralis majestatis“: Er möge doch die Pflanzen pflegen, wie wir, also Gnä Hoheit, es als zukunftsreich erachten. Das ist ungefähr so, als würde bei ihr plötzlich das Interesse für den Modus der Europa League erwachen. Was wäre es mir für ein Fest, ihr in präzisen Vorträgen die Raffinessen der Qualifikation zu erläutern. Aber leider, diesbezüglich bewegt sich nix. Sie fragt mich auch heute immer noch, ob ich Lust auf ein spontanes Sonnenuntergangsachtel in der Stadt hätte. Und zwar an jenem Tag, an dem Real Madrid und der FC Liverpool ihr historisches Finale bestreiten. Aber zurück zu meinem Gartenglück und ihrer Lust darauf, mir allerlei tipp und klar mitzuteilen. Es ist ein fröhliches du müsstest … und du solltest … und du darfst auf keinen Fall …, das ohne jeden Widerspruch bleibt. Völlig losgelöst war gnä Kuhn dann, als sie mein nur vor mich hin gemurmeltes „Irgendwas Besonderes wäre nett“ wahrnahm. Halleluja, welch Impuls für ihre Ratschlagfertigkeit! Seitdem ist mir (endlich!) die Winterhärte der Roten Schlauchpflanze, die spezielle Blütenform der Präriezapfenblume und der Fleckencharme der japanischen Krötenlilie bekannt. Aber ehrlich: Sogar dafür sage ich danke.
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