Nasser Hund

Nur Romantiker glauben, dass Wien nach Rosen, Flieder und Kaffeehaus riecht
Barbara Beer

Barbara Beer

Kuhglocken und Stallgeruch: In Bayern überlegen sie jetzt, landestypische Geräusche und Gerüche nach dem Vorbild Frankreichs als „Sinneserbe“ schützen zu lassen. Das hat im Redaktionskomitee der Wiener Ansichten Diskussionen ausgelöst. Wie röche und tönte, so fragten wir uns, das Sinneserbe Wiens?

Zunächst der Sound: die Pummerin. Und sonst? Tramway-Rattern war einmal, der ULF von heute rauscht lautlos und bimmelt selten. Die Spatzen im Volksgarten brüllen. In Simmering erlebt man abends ein Stück Alt-Wien, wenn man den Fiaker-Pferden beim Heimtrappeln lauscht. Romantisch. So sind offenbar auch jene Forscher der Uni Wien veranlagt, die einst den Duft der Stadt in einer Studie festgehalten haben. Kurzversion: Wien riecht angeblich nach Rosen, Flieder und Kaffeehaus. Die Forscher im Redaktionskomitee haben nach eigenen Antworten gesucht, sie fielen sehr individuell aus. Einigen konnten wir uns darauf: Für Gutaufgelegte duftet Wien möglicherweise nach Flieder oder Apfelstrudel. Aber auch bei bester Laune riecht’s am Stephansplatz nach Pferdehinterlassenschaft. In den alten U1-Stationen rauben einem die Gerüche von faulen Eiern den Atem (das Eau de U1 ist oft beschrieben worden, ein in den 70ern verwendeter Bodenbefestiger ist schuld), bei der U6-Spittelau wird man dafür mit Kebab-Geruch imprägniert. Die Idee der Stadt nach eigenen U-Bahn-Parfüms („Happy Enjoy“) stieß auf wenig Zustimmung.

Am Stadtrand könnte man einen Hauch Happy Enjoy gebrauchen, dort riecht’s zweimal im Jahr heftig nach Dünger aus dem Tullner- oder dem Marchfeld. Sensible nehmen im Nordosten das Aroma der Kelly’s-Fabrik, im Süden ein Wurscht-Naserl vom Radatz wahr; in Hernals ein Bukett von Manner-Schnitten, in Ottakring eine Malz-Note. Der Wurschtelprater duftet nach Zuckerwatte, an der Grenze zum Grünen Prater riecht’s nach Stelze. Natürlich alles persönliche Wahrnehmung. Einzig, dass es beim Heustadelwasser nach nassem Hund riecht, ist eindeutig wissenschaftlich erwiesen.

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