„Molto vecchio!“ Wie bitte?

„Molto vecchio!“ Wie bitte?
Selber weiße Haare zu bekommen, ist das eine, seinem Hund dabei zuzusehen, das tut weh.
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

„Der Beagle bleibt immer Kind!“, haben sie uns gesagt. „Mit den Schlappohren und dem Herzensbrecherblick entspricht er auch noch im Alter dem Kindchenschema.“ Haben sie uns gesagt. Und bis vor Kurzem war es so.

Auf den ersten Blick fragten uns entgegenkommende Spaziergänger und Wanderer: „Der ist aber noch jung, gell?“

Vergangene Woche aber, an einem unserer letzten Urlaubstage, geschah etwas Seltsames. Daria und ich gingen durch den Ort auf unserer Insel. Zugegeben, beide mit hängender Zunge wegen der Schwüle. Da kam uns eine Gruppe Italiener entgegen. Ich hörte, wie einer den anderen – sinngemäß – erklärte: „Das ist ein Beagle.“ Von dem, was er in der Folge zum Thema Daria dozierte, verstand ich mit meinem „Strada-del-Sole"-Italienisch nur zwei Worte: „molto“ und „vecchio“. Das bedeutet „sehr“ und „alt“.

Sehr. Alt. Also. Wie vom Blitz getroffen, rief ich: „Los, Daria, hopp!“ Wir verdreifachten unser Tempo. Einerseits, um den prüfenden Blicken der Italiener zu entkommen. Andererseits, um ihnen zu beweisen, dass wir vielleicht alt aussehen, aber nicht alt sind.

„Komm schnell!“

Selber weiße Haare zu bekommen, ist das eine. Aber seinem Hund dabei zuzusehen, wie er immer weißer und älter wird, das tut weh. Und so freute ich mich, als Daria unmittelbar nach dieser Begegnung drei Katzen auf einen Baum jagte (was ich sonst gar nicht mag) und bei unserem Haus behende über die Gartenmauer kletterte, statt das Tor zu nehmen.

Schließlich legte ich mir die Erklärung zurecht: Der Italiener dürfte wohl gesagt haben, dass es sich beim „Beagle“ um eine „sehr alte“ Rasse handelt, die zur Fährtensuche dient. Diese Übersetzungsfährte gefiel mir deutlich besser.

Als mich aber vorgestern meine Tochter in der Arbeit anrief und sagte: „Komm schnell nach Hause, Daria macht Geräusche, als hätte sie Schmerzen!“, da ließ ich alles liegen und stehen, bat meine Kollegin, für mich zu übernehmen, und raste heim – im Kopf immer die Worte „molto“ und „vecchio“. Es stellte sich heraus, dass Daria gut bei Appetit war, beim Abdrücken ihrer Rheuma-Wirbel keinerlei Schmerz empfand und auch sonst fit war. Wir waren erleichtert. Und ich erzählte die Geschichte vom Italiener, der „molto vecchio“ gesagt hatte. Die Tochter lachte: „Vielleicht hat er ja gar nicht Daria, sondern dich gemeint.“

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