Licht- und Tunnelblick

Die einen sind krisenfest, die anderen feiern ein Krisenfest. Wer jetzt genau hinschaut, weiß nach der Krise, auf wen Verlass ist.
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Früher hieß es: „Ich krieg’ die Krise“, wenn an einem lauen Samstagabend das Bier nicht kalt genug und der Grillrost nicht heiß genug war. Inzwischen ist "Krise" ein gesamtgesellschaftlicher Dauerausnahmezustand, der nicht mit Abkühlen oder Unterzünden ins wohltemperierte Lot zu bringen ist. Die Debatte wird hitziger, die politische Stimmung eisiger.

Aber die Krise hat auch gute Seiten. Sie zeigt die wahren Gesichter. Denn in der Krise scheiden sich die Geister – und die Sehgewohnheiten. Die einen sagen: „Ich sehe Licht am Ende des Tunnels.“ Die anderen: „Das ist nur der entgegenkommende Zug“ (das sind dann die mit dem Tunnelblick). Die einen kochen am Krisenherd groß auf. Die anderen verbrennen sich die Finger daran. Die einen packen an und beenden die Krise damit vorzeitig. Die anderen stellen sich tot und warten darauf, dass irgendjemand die Krise für beendet erklärt. Die einen suchen den Sinn. Die anderen den Schuldigen. Die einen sind krisenfest. Die anderen feiern ein Krisenfest. Wer jetzt gut hinschaut, weiß nachher, auf wen Verlass ist.

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