Küss die Hand, Frau Minister

"Tagebuch": Schneller, intensiver, aggressiver. So sehr sich der Fußball geändert hat – die Basisgründe für Erfolg bleiben die gleichen.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Schneller, intensiver, aggressiver. So sehr sich der Fußball geändert hat – die Basisgründe für Erfolg bleiben die gleichen.

1.) Ganz vorn (Torjäger) und ganz hinten (Tormann) muss ein Teamchef über einen Ausnahmekönner verfügen.

2.) Innerhalb einer Nationalmannschaft, die sich nur alle zwei Monate trifft, muss die Stimmung stimmen.

Beides ist in der ÖFB-Auswahl aktuell nicht der Fall.

Weil so manch Ballkünstler mehr Selbstdarsteller als Teamplayer ist;

weil Legionäre, die bei ausländischen Klubs Unsummen verdienen, längst nicht mehr vom ÖFB abhängig sind,

weil ihnen Schulterklopfer einsuggerieren, dass sie auf all die „Trotteln“ (=Trainer, Mitspieler, Fans, Journalisten) nicht zu hören brauchen.

Nur im Erfolgsfalle hockt man im selben rot-weiß-roten Boot. Andernfalls lassen Konjunktivstars ihren (ihnen im Oberstübchen überlegenen) selbstkritischen Kapitän Julian Baumgartlinger samt ein paar braven Matrosen untergehen. Wie das in Haifa passierte.

Nur langsam ebbt der Volkszorn ab, den der ÖFB via Mails heftig zu spüren bekommt. Fast so verwunderlich wie der Leistungsabfall nach 20 Minuten und die 2:4-Schlappe von Marko Arnautovic und Co. waren freilich die Reaktionen danach.

Selbst sollten die Gerüchte stimmen, wonach Teamchef Franco Foda hausintern konträr zum guten TV-Eindruck ein Muffel sei, riecht’s nach Populismus, wenn bereits Fodas Absetzung und Andreas Herzog als Nachfolger gefordert wird. Vor allem, wenn das dieselben Personen schreiben und sagen, die vor einhalb Jahren gegen eine „drohende“ Verpflichtung Herzogs gewettert hatten.

Herzog steht inzwischen über den Dingen. Auch dass in Tel Aviv kaum 48 Stunden nach dem 2:4 eine Rakete aus Gaza einschlug, konnte den in Tel Aviv wohnenden Wiener („Da wurde in den Medien übertrieben“) kaum erschüttern. Zu einem Abstecher nach Österreich veranlasst Israels Teamchef jedenfalls nicht Angst vor Hamas-Terror, sondern das Match SalzburgAustria. Dort will er Munas Dabbur („Und auch dem Austrianer Alon

Turgeman, falls der fit ist“) auf die Beine schauen.

Österreich-Schreck Eran Zahavi geht derweil wieder in China auf Torjagd. 2017 in Israel noch zur Unfigur verkommen, erhielt der (von Herzog zum Teamcomeback überredete) Torjäger einen Anruf aus Washington. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gratulierte ihm zu seinen drei Treffern gegen Österreich.

Sportministerin Miri Regev eilte zu den Österreich-Bezwingern gar jubelnd in die Kabine. Mengte sich unter die dampfenden Spielerleiber. „Und unser Willi hat ihr die Hand geküsst.“

Unser Willi? Damit meint Herzog Israels Sportdirektor Willi Ruttensteiner, der den ÖFB nach 19 Jahren verlassen hatte müssen. Zugegeben, sein Abgang war in dieser Kolumne nur mäßig bedauert worden. wolfgang.winheim

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