Kralicek geht essen: Wahn und Sinn

„Rinderwahn“: Bin ich der Einzige, der es geschmacklos findet, ein Restaurant so zu nennen?

Jedes Mal, wenn ich an dem Burgerlokal „Rinderwahn“ vorbeikomme, frage ich mich: Was haben die sich eigentlich dabei gedacht? Und bin ich der Einzige, der es geschmacklos findet, ein Restaurant so zu nennen? Schon klar, dass der Begriff Rinderwahn sich hier scherzhaft auf die Gier nach saftigen Burgern bezieht, aber eigentlich bezeichnet er eine furchtbare Tierseuche, mit der sich vereinzelt auch Menschen infiziert haben. „Bovine spongiforme Enzephalopathie“ lautet der wissenschaftlich korrekte Name, bekannt wurde die Seuche unter dem Kürzel BSE oder eben als Rinderwahn.

Mit schweren Krankheiten macht man keine Witze, darüber besteht weitgehend Konsens. Zum Beispiel fänden es wahrscheinlich nur die wenigsten lustig, eine Hummerbar „Krebsstation“ zu nennen. Warum also ist das beim Rinderwahn anders? Erste These: Weil das Wort einfach witzig ist; „Maul- und Klauenseuche“ etwa wäre als Lokalname nicht so gut geeignet. Zweite These: Weil der Rinderwahn seinen Höhepunkt in den frühen 90er-Jahren hatte, was schon ziemlich lange her ist. Vor dreißig Jahren verzichteten aus Angst vor BSE viele Menschen auf Rindfleisch; ein Lokal namens Rinderwahn wäre damals unternehmerischer Selbstmord gewesen.

Haben wir es vielleicht mit einer Variante auf die Gleichung „Komödie ist Tragödie plus Zeit“ zu tun? Mit dem Phänomen, dass sich viele unserer alltäglichen Dramen mit der Zeit in lustige Anekdoten verwandeln? Nicht wirklich, denn eine

Rinderseuche wird auch dann nicht lustiger, wenn auf den Almwiesen viel Gras darübergewachsen ist. Auch für Naturkatastrophen oder Gewaltverbrechen geht die Gleichung grundsätzlich nicht auf.

Jedenfalls hat es offenbar auch in diesem Fall wieder niemanden gegeben, der rechtzeitig mahnend die Stimme erhob: „Haltet inne und überlegt euch noch einmal sehr genau, ob ihr das wirklich machen wollt!“ Sich in eine Idee so zu verlieben, dass man für Gegenargumente blind wird, ist aber nur die eine Seite des Problems.

Die andere ist, dass die Gäste des Lokals offenbar gar kein Problem sehen.

Man könnte das als Zeichen dafür interpretieren, wie empathielos Teile unserer Gesellschaft sind. Wahrscheinlicher ist, dass die Leute einfach nicht mehr so genau wissen, was Rinderwahn eigentlich bedeutet. Andererseits besteht der ethisch fragwürdige, rein humortechnisch aber zweifellos vorhandene Witz des Namens ja gerade darin, dass die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs bekannt ist. Vielleicht ist es also so: Die Erfinder des Namens waren von ihrer Idee so begeistert, dass sie ihn ohne Rücksicht auf Verluste durchgesetzt haben. Und sie sind nur deshalb damit durchgekommen, weil der Witz eigentlich gar nicht verstanden wurde.

Vorige Woche bin ich dann endlich einmal hingegangen, zum Rinderwahn, in die Mini-Filiale am Wiener Naschmarkt. Es gibt verschiedene Burgervarianten, auch vegane. Ich habe, wie immer, einen ganz normalen Cheeseburger mit Pommes frites bestellt. Was soll ich sagen? Geschmacklos ist hier nur der Name, die Burger sind ausgezeichnet. Saftige Laberln, mundgerechte Größe, gut gewürzt. Zur Ehrenrettung des Rinderwahn (oder der zuständigen Werbeagentur) muss außerdem gesagt werden, dass der Slogan „Ich will ein Rind von dir“ wirklich witzig ist.

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