Kralicek geht essen: Gerechtigkeit für die Rosine!

Rosinen sind süß und saftig, haben also Eigenschaften, die normalerweise sehr gut ankommen. Aber vermutlich ist der Geschmack gar nicht das Problem.
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Man kann sich nicht immer nur die Rosinen rauspicken. Was diese Redensart meint, ist klar: Es geht um Solidarität, für die anderen sollen nicht nur die weniger attraktiven Teile des Kuchens übrig bleiben. Was an dieser Redensart merkwürdig ist? Dass die Rosinen darin so gut wegkommen. Erst unlängst, bei einem Fest im Sportverein, habe ich einen Kuchen gesehen, dessen Schöpferin sich die Mühe gemacht hatte, eine Hälfte mit Rosinen und die andere ohne zu backen; die ungleichen Hemisphären waren mit kleinen Fähnchen markiert. Ein besonders anschauliches Beispiel dafür, dass sich an den Rosinen die Geister scheiden.
Warum bloß? Dass viele Menschen Rosinen ablehnen, erscheint zunächst unverständlich. Rosinen sind süß und saftig, haben also Eigenschaften, die normalerweise sehr gut ankommen. Aber vermutlich ist der Geschmack gar nicht das Problem. Eher schon das Aussehen: Rosinen sind getrocknete Weintrauben und nicht unbedingt ein schöner Anblick. Ihre Farbe ist weder ein frisches Grün noch ein verführerisches Rot, sondern ein undefinierbares Braun; ihre Form ist nicht rund, sondern zerknautscht, ihre Haut nicht knackig, sondern runzelig. Sprechen wir es offen aus: Die Rosine ist der Greis unter den Trauben. Der Ekel, den Rosinen besonders bei jungen Leuten hervorrufen, könnte also eine Form von Gerontophobie sein, der Angst vor dem Altwerden.

Tatsächlich stelle ich bei mir selbst fest: Je älter ich werde, desto besser schmecken mir Rosinen. Mit den Jahren werden Äußerlichkeiten eben immer unwichtiger, achtet man mehr auf die inneren Werte. Und innen drin ist so eine Rosine ja süß wie das pralle Leben.

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