Kralicek geht essen: Fragen wie diese: süß oder scharf?

Niemand aber muss so oft dieselbe Frage stellen wie der Mann oder die Frau am Würstelstand ...
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Bestimmte Berufe bringen bestimmte Fragen mit sich. Immer wieder dieselben Fragen, die Tag für Tag gestellt werden müssen, Tausend und Abertausend Mal. „Darf’s ein Deka mehr sein?“ (Wurstfachverkäuferin), „Jemand zugestiegen?“ (ÖBB-Schaffner), „Möchten Sie eine heiße Apfeltasche dazu?“ (McDonald’s-Mitarbeiter), „Zusammen oder getrennt?“ (Zahlkellnerin), „Wo waren Sie gestern zwischen sieben und neun Uhr abends?“ (Kriminalpolizist).

Niemand aber muss so oft dieselbe Frage stellen wie der Mann oder die Frau am Würstelstand: „Süß oder scharf?“ Gemeint ist die Beschaffenheit des zur Wurst gereichten Senfs, und die Frage ist berechtigt. Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob die Käsekrainer, die Waldviertler oder die Frankfurter in süßen oder in scharfen Senf getunkt wird; der Charakter der Wurst verändert sich fundamental. Mit scharfem Senf zeigt sie klare Kante, mit süßem Senf gibt sie sich kompromissbereiter.

Süß oder scharf? Das ist nicht nur Geschmacksache, es kommt auch auf die Wurst an. Zur eher faden Frankfurter etwa passt scharfer Senf besser, zur molligen Weißwurst wiederum kommt nur süßer infrage. Auch zum rauchigen Aroma der geselchten Waldviertler bildet süßer Senf einen feinen Kontrapunkt; wer auch noch ein wenig Schärfe in Spiel bringen will, bestellt frisch geriebenen Kren dazu. Aber das ist dann schon die Haute Cuisine des Grillwurstverzehrs.

Süß oder scharf? Das „oder“ ist eigentlich ein Unsinn. Wenn ich das nächste Mal gefragt werde, antworte ich: „Süß UND scharf, bitte!“ Wir brauchen sie nämlich beide.

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