Johannas Fest: Personalmangel und Convenience

Ich habe mich ja schon jahrelang gefragt, warum Pommes frites nur mehr in der gehobenen Gastronomie hausgemacht sind.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Heute Abend haben wir Gäste. Schließlich lohnt es sich, ein so aufregendes Programm wie das EM-Finale mit Freunden zu teilen und sie kulinarisch zu verwöhnen. Zur Inspiration für das Abendessen statteten mein Mann und ich einem der Großhändler für die Gourmet-Gastronomie einen Besuch ab. Dabei hatte ich verschiedene Aha-Erlebnisse. Nie hätte ich gedacht, was es außer fertigem Kartoffelsalat im Plastikkübel schon alles gibt. Zum Beispiel Rührei, flüssig, pasteurisiert und gewürzt; und die fertig gegarten Röstzwiebel oder Croûtons. Oder die vorgeschnittenen und gewürzten Schweinshaxenstreifen für das Gyros. – Igittigittigitt! In – sagen wir einmal nicht eben auf Handwerk fokussierten – Gasthäusern und Restaurants bescheren dann die Geschmacksverstärker, Konservierungsmittel und Würze der Marke 08/15 kaum Gaumenfreuden.

Ich habe mich ja schon jahrelang gefragt, warum Pommes frites nur mehr in der gehobenen Gastronomie hausgemacht sind. Schließlich ist das gar nicht so viel Arbeit, große makellose Kartoffel zu schälen, zu schneiden und die Stäbchen in die Pfanne mit blubbernd heißem Fett zu werfen, sie zu schwenken bis sie Farbe nehmen und dann goldgelb gebraten ins bereitgestellte, mit Küchenrolle ausgekleidete Sieb zu katapultieren. Aber in Zeiten, in denen die Gastronomie ein Hauptproblem namens „Personalmangel“ hat und überdies mit knappen Margen kämpft, ist es natürlich nachvollziehbar, warum so viel Vorgefertigtes auf die Tische kommt.

Blütenzauber

Zum reinsten Augenschmaus hingegen geriet ein Rundgang durch die Gemüseabteilung des Geschäftes. Alles, was man für gewöhnlich nur aus Haubenlokalen oder zumindest gehobener Gastronomie kennt, war hier schönstens sortiert und natürlich zu Großhändlerpreisen im Angebot: Baby-Melanzani, Patisson-Kürbisse, Pimientos (die kleinen Bratpaprika), große und Mini-Artischocken, drei verschiedene Sorten Radicchio bis hin zu Purple-Haze-Karotten (die sind außen violett, innen orange), um nur eine ganz kleine Auswahl zu nennen.

Das Herz ging mir auf angesichts einer Vitrine vor der Gemüseabteilung: In dem schmalen Regal präsentierte sich küchenfertig, was Wald und Wiese an essbaren Blüten und wilden Kräutern zu bieten hat – schlicht und einfach ein florales Feuerwerk, bunt wie die Paletten großer alter Meister!

Mit Veilchen – kandiert oder einfach roh – zu dekorieren, hat ja auch hierzulande Tradition. Ebenso bekannt ist die Kapuzinerkresse, die nicht nur ein Eyecatcher auf jedem Teller ist, sondern auch noch besonders gut schmeckt. Und schon unsere Großmütter haben Holler in Palatschinkenteig herausgebacken und mit Erdbeeren serviert. Auch gefüllte Zucchiniblüten sind in heimischen Privathaushalten keine Exoten mehr.

Mit Christrosen, Maiglöckchen, Oleander, Engelstrompeten und Herbstzeitlosen sollte nur dekorieren, wer Esser unauffällig aus dem Weg räumen möchte: Die sind giftig.

Ich gehe auf „Nummer sicher“, greife zu dem vorsortierten Päckchen Blüten und Wildkräuter und freue mich darauf, unsere kleine, ausgesuchte Runde von EM-Finale-Gästen heute Abend floral zu bezaubern. Dass ich zur obligaten Grillage auch selbst gemachte Saucen und Pommes frites kredenze, ist Ehrensache!

Wie auch immer das Endspiel ausgehen wird, steht in den Sternen. Kulinarisch wird der Abend ein Erfolg, darauf traue ich mich wetten!

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