Johannas Fest: Grüße aus dem Schlaraffenland

Morcheln zu finden, ist kein Kinderspiel: Sie tragen Hüte in der Tarnfarbe Sandgrau bis Beige und verstecken sich meist unter hohen Gräsern oder Bärlauchblättern.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Vor einem Monat hielt ich an dieser Stelle ein Plädoyer für saisonale und regionale Köstlichkeiten auf unseren Tellern. Ich brachte meine Vorfreude auf die ersten Spargel heimischer Provenienz zu Papier und bekundete meine Absicht, dieses köstliche Sprossengemüse in allen möglichen Variationen zu Tisch zu bringen. – Gesagt getan. Vergangene Woche luden wir einen Freund ein, der gelernter Koch ist und gerade Geburtstag hatte. Gelernt hat er das Handwerk nicht irgendwo, sondern bei einem der bekanntesten Wiener Haubenköche. Das machte das Vorhaben „Spargel rauf/runter“, wie ich die Zubereitung der Königinnen des Gemüses nenne, zu einem Herzklopf-Manöver. Auf einen Wildkräutersalat mit in Tempurateig ausgebackenen grünen Stangen und einem Glas Walliser Heida folgte eine mollig-sahnige Spargelcremesuppe. Als nächsten Gang servierte ich eine Quiche, wieder mit grünem Spargel, unterstützt von Rotem Veltliner vom Wagram. Als Hauptgericht gab es Kalbsbraten mit Solospargel an Morchelsauce, begleitet von einem Glas Pinot Noir.

Als Dessert servierte ich eine Rhabarber-Erdbeer-Ricotta-Creme.

Die Morcheln für den Hauptgang habe ich übrigens selbst gefunden; bei der kuratierten Pilzsuche mit dem an dieser Stelle ob seines Wissens und der spannenden Art, dieses zu vermitteln, bereits hochgelobten „Mykohunter 365“. Dies ist das Pseudonym, unter dem der junge Diplom-Ingenieur Stefan Marxer auf Youtube seine mykophile Fangemeinde fasziniert. Morcheln zu finden, ist kein Kinderspiel: Sie tragen Hüte in der Tarnfarbe Sandgrau bis Beige und verstecken sich meist unter hohen Gräsern oder Bärlauchblättern. Noch schwieriger sind die weniger bekannten adrigen Morchelbecherlinge, das sind fast stiellose Schlauchpilze, zu finden.

Schatzsuche

„Morcheln gelten als die schmackhaftesten Frühlingsspeisepilze und wachsen fast ausschließlich in (Au-)Wäldern, in denen Eschen stehen. Daher gilt es zunächst nach diesen Bäumen Ausschau zu halten“, erklärte mir der Experte. Weitere Standortanzeiger seien auch die Blätter von Schnee- beziehungsweise Maiglöckchen, sowie die Gewöhnliche Schuppenwurz, eine rosa Pflanze, die als Parasit auf den Wurzeln der Aubäume wächst.

Die Schatzsuche in unserem Auwald war der reinste Hindernis-Parcours: Alle paar Meter lagen gefällte beziehungsweise gefallene Baumstämme, die es zu überspringen oder zu überklettern galt, quer über den Wegen. Leider ist nämlich seit einigen Jahren ein durch den Pilz „Hymenoscyphus fraxineus“ verursachtes Eschensterben im Gange. Traurige Prognose: Stirbt die Esche, gibt es auch keine Morcheln mehr.

Unsere Expedition war anstrengend, aber erfolgreich: Wir kamen mit mehr als einem Kilogramm Ernte aus Wald und Wiesen heim.

Unser Geburtstagskind, das Pilze wahnsinnig gerne isst, sie aber weniger gerne sucht als findet, überkommt ein leiser Anflug von Neid: „Da wäre ich auch gerne dabei gewesen!“, meinte der Jubilar. – Kein Problem: virtuell jederzeit unter dem Link https://youtu.be/HpwREcc9oQQ

Aber auch terrestrische Freuden stehen bevor: Zum Geburtstag schenkten wir ihm einen Gutschein (pilzvergnuegt.com) für eine Schwammerlsuche mit dem Mykohunter!

Spargel, Erdbeeren, Rhabarber und jetzt auch noch Morcheln! – Mit diesen Zutaten macht das Kochen richtig Spaß. Kulinarisch ist er für mich das reinste Schlaraffenland, der Wonnemonat Mai. Überhaupt, wenn wir seine Gaben wieder im Freundeskreis genießen dürfen!

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