Kein Fuchs und kein Hase mehr

Schutzzone ist ein situationselastischer Begriff. Zu Besuch in einem der letzten halbwegs intakten Dörfer Wiens.
Barbara Beer

Barbara Beer

Da waren Wiesen und Felder, ein paar Hochhäuser, und da waren ein paar alte Dörfer. Regelmäßige Leserinnen und Leser dieser Kolumne wissen, dass an dieser Stelle immer wieder vom Aufwachsen in den 70ern am Rande von Floridsdorf berichtet wird. Von da, wo die Stadt ausrinnt und einst mit Mohn-und Kukuruzfeldern nach Niederösterreich hinüberwuchs. Und wo’s heute wild verbaut ist. Wo sich statt Fuchs und Hase nun Obi und H&M Gute Nacht sagen. Wo Schnellstraßen immer mehr Verkehr transportieren, der nicht nur mit Wohnen und Arbeit, sondern auch mit immer mehr Gewerbeparks zu tun hat. Denn: Welche Erlebnisse hat man heutzutage noch, außer Shoppingerlebnissen? Das wird so weitergehen, bis nicht eine Wiese mehr übrig ist. Lang wird’s eh nicht mehr dauern.

Und hier sind wir schon bei dem, was sich Immobilienentwicklung nennt. Vor zwei Jahren berichteten wir über das Angerdorf Leopoldau und seinen gut erhaltenen historischen Kern. Und wir beklagten den bevorstehenden Abriss zweier der charakteristischen alten Höfe am Leopoldauer Platz. Obwohl der Ort Schutzzone ist, wo eigentlich nicht abgerissen werden darf. Aber Sie wissen ja, wo ein Wille, da ein Weg zur wirtschaftlichen Abbruchreife.

Ich hab meiner alten Heimat jetzt einen Besuch abgestattet. Und mir den Neubau, der anstelle des Hofes entstanden ist, angeschaut. Die Kurzfassung: Er ist so 08/15-fad-schiach wie befürchtet. Weil im Nachbarhaus gerade das Tor zum Hof offenstand, bin ich hinein und hab mir das Ganze auch von innen angeschaut. Wie sehr vieles, das derzeit gebaut wird: lieblos und extrem dicht. Wirklich schön an dem Ensemble ist nur die alte Mauer vom Nebengebäude, dem Pfarrhof. Dennoch: Insgesamt gibt es in Leopoldau noch viele gut erhaltene alte Häuser mit liebevoll renovierten Fassadendetails. Außerdem Wirtshäuser, Handwerker, Kindergärten. Der Dorfanger samt Teich ist eine kleine Idylle. Leopoldau ist inmitten von alldem, was baulich falsch läuft, immer noch lebenswert. Hoffentlich ist das nicht nur eine Frage der Zeit.