Johannas Fest: Wie man sich Feinde macht
Carina und Edgar haben sich ein wirklich fürstliches Refugium mitten in den Bergen geschaffen. Enge Freunde, die bereits Wochenendhäuser in der Region hatten, gaben den beiden den Tipp, dass das ehemalige Forsthaus samt riesigem Stadel zu haben sei. Das war schon vor zwanzig Jahren. Inzwischen ist alles auf Hochglanz renoviert, ausgebaut für Events mit bis zu hundert Gästen. – Die allerdings fast nie stattfinden, schließlich lieben die beiden frisch pensionierten Akademiker ihre Ruhe mit ihren treuen Vierbeinern aus dem Tierschutzhaus. Ab und zu schauen die beiden erwachsenen Kinder mit ihren Lebensabschnitts- partnern vorbei. Auf das Läuten von Hochzeits- glocken wartet das Paar bislang aber ebenso vergeblich wie auf Großelternfreuden.
Zu Carinas 50er ließen sie es aber so richtig krachen. Da war die gesamte Hautevolee aus der gebirgigen Umgebung eingeladen. Unter den Gratulanten fanden sich der Bürgermeister des Kleinstädtchens, Unternehmer, Ärzte, Notare, der Pfarrer und Künstler ein. Zum Großteil waren das Leute,deren Bekanntschaft die Gastgeber Maria und Fritz, sowie Anna – einer Wienerin, die ebenfalls ein Wochenendhaus in der Umgebung hat – verdanken. Just diese drei Personen fehlten aber auf der Gästeliste.
Wenn Anna in ihr Zweithaus will, kommt sie am Anwesen von Carina und Edgar nicht vorbei. Sie ist eine von zwei Nachbarn im Umkreis von vierhundert Metern. Beim Anblick der vielen geparkten Luxusautos vor dem Haus war ihr klar, dass es sich hier um eine Riesen-Party handelte. Und Maria und Fritz wurden schon zwei Monate vor der Geburtstagsfete von gemeinsamen Freunden darauf angesprochen, dass man einander ja sicher im Juni bei Carina und Edgar treffen würde. Anfangs dachten sie noch, dass die Post säumig sei, oder sie eine elektronische Einladung übersehen hätten und durchforsteten akribisch ihre Mail-Eingänge.
Nicht-Einladungspolitik
Aber nichts. Nichts als letztendlich die Gewissheit, dass quasi alle gemeinsamen Freunde an diesem Abend an der Geburtstagseinladung sein würden, nur sie nicht. – Und Anna. Angesichts der Tatsache, dass die Gastgeber bis dahin quasi zu allen interessanten Abendessen im Weinkeller oder im Garten von Maria und Fritz eingeladen waren, mehr als erstaunlich, ja nachgerade ein Affront!
An die achtzig Festgäste waren es, berichtete ein Augenzeuge den Nicht-Geladenen. Auf drei Personen mehr oder weniger konnte es also nicht angekommen sein. Erst nach langem Nachdenken bot sich eine mögliche Erklärung: Das Geburtstagkind fühlte sich von Anna, Maria und Fritz nicht ausreichend wertgeschätzt. Alle drei hatten wohl mit dem amüsanten und kunstsinnigen Edgar mehr am Hut, als mit seiner Gemahlin, die stets ihre perfekten Hausfrauen-Qualitäten unter Beweis stellte, deren Charme aber ebenso enden wollend war, wie ihr Humor.
Alle fünf erwähnten Personen haben es überlebt und halten sich nun seit Jahren an die gegenseitige Nicht-Einladungs-Politik. Treffen sie einander zufällig beim Einkaufen auf dem Wochenmarkt oder bei einer Einladung gemeinsamer Freunde, bleibt das Thema, das eine vermeintliche Freundschaft zerstört hat, natürlich außen vor. Man bemüht sich, die freundliche Fassade aufrechtzuhalten, tauscht ein paar Höflichkeitsfloskeln aus und ist froh, wenn die unbeabsichtigte Begegnung wieder vorbei ist. Ganz nach der Devise „Wir sind uns wieder gut, aber der Hass bleibt“.
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