Johannas Fest: Wer zahlt die Zeche?
Mit lieben Freunden auswärts zu essen, ist ein Highlight: Zu einem im Idealfall angenehmen Ambiente und kulinarischen Freuden stellt sich das Wir-Gefühl ein, die Seelen werden gestreichelt, der Schmäh rennt und wichtige und weniger wichtige Neuigkeiten werden ausgetauscht. Je nach geübter Tradition zahlt zum Schluss
– jeder seinen Teil der Zeche, also was sie oder er tatsächlich konsumiert hat,
– oder wenn es sich immer um dieselbe Runde handelt, übernimmt einmal die eine, dann wieder die andere Person die gesamte Rechnung.
Die Regeln, wer bezahlt, haben sich mit den Veränderungen in der Gesellschaft gelockert. So ist etwa die Gepflogenheit, dass immer der Herr die Dame einlädt, nicht mehr in Stein gemeißelt. Dass die Älteren immer die Jüngeren einladen müssen, passt wohl, wenn Erstere mitten im Berufsleben stehen und die anderen Studenten sind. Anders sieht es aus, wenn die Älteren eine bescheidene Pension beziehen und die Jüngeren auf der Karriereleiter schon ein gutes Stück hinaufgeklettert sind. Dass Großgrundbesitzer, Immobilien- Tycoons oder Vorstandsdirektoren die Rechnung übernehmen, wenn sie mit weniger gut Verdienenden einen Restaurantbesuch antreten, davon ist auszugehen.
Schnorrer und Centfuchser
Grundsätzlich gilt: Wer das gemeinsame Essen zu zweit initiiert, lädt auch dazu ein. Anders gestaltet es sich, wenn eine Person die Organisation für eine gesamte Tafelrunde – vom Geburtstagsessen für eine gemeinsame Freundin, bis hin zum Klassentreffen – übernimmt. Da gilt es dann, die Kosten durch die Teilnehmer zu dividieren und sich ebenfalls jene für die Jubilarin zu teilen.
Marlene erzählt mir, dass sie mit unserer ehemaligen Arbeitskollegin Eva, mit der sie schon mehrere Jahre gar keinen Kontakt mehr hatte, essen war. Eva hat um das Treffen gebeten und das Restaurant ausgesucht. Die kinderlose 50-jährige Cabriofahrerin ist gut situiert, sehr gebildet, aber unendlich einsam, wie sie Marlene während des Abendessens in epischer Breite darlegt. Als dann die Rechnung kam, verkündete sie: „Wir machen halbe-halbe.“ – „Außer Spesen nichts gewesen“, ärgerte sich Marianne, die sich als Evas Klagemauer nicht eben amüsiert hat und überdies übervorteilt fühlte. Schließlich hatte Eva weitaus mehr und Höherpreisiges konsumiert, als sie. Da der Abend keinen Spaß gemacht hat, blieb der bittere Nachgeschmack, Geld und Lebenszeit vergeudet zu haben. „Wird so bald nicht wieder vorkommen!“, tröstet sie sich.
Noch Schärferes berichtet Anton: Carmen habe ihn und seine Frau Renate zur Geburtstagsfeier des gemeinsamen Freundes Toni zum Heurigen eingeladen. Anton kam mit einem großzügigen Geburtstagsgeschenk zum Fest. Allerdings eine Stunde verspätet, weil er noch einen Auftrag fertigzustellen hatte. Er fand ein leer gefegtes Buffet vor. Gerade ein Liptauerbrot konnte Anton noch ergattern. Zur großen Überraschung bat Carmen die Runde der Gratulanten anschließend zur Kasse. Die Gesamtkosten wurden durch die Anzahl der Festgäste geteilt. Antons drei Gespritzte und ein Liptauerbrot schlugen sich mit 70 Euro nieder. Auf seine Bemerkung, dass er das doch für etwas unverhältnismäßig halte, konterte Carmen ungerührt: „Seid’s doch nicht so schnorrerisch!“
Wer die Zeche zahlt? Alles eine Frage der Tisch-, Ess- und Freundschaftskultur.
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