Johannas Fest: Von Lust, Genuss und Laster

Mit den Jahren habe ich gelernt, dass die guten Vorsätze in der Umsetzung oft problematisch sind, ja Scheitern vielfach programmiert ist.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Wir schreiben zwar heute erst den 3. Tag des neuen Jahres, aber so manches kann schon wieder abgeschrieben werden. Zum Beispiel der eine oder andere gute Vorsatz für 2021, den wir insgeheim gefasst, oder gar vor versammelter Runde hinausposaunt haben. „Nie mehr wieder zu spät kommen“, „jeden Tag eine Stunde Sport betreiben“, „nicht mehr rauchen“, „nicht mehr als zwei Stunden Streaming pro Tag“ und „vor Mitternacht schlafen gehen“, lauten so manche hehre Ziele.

Mit den Jahren habe ich gelernt, dass die guten Vorsätze in der Umsetzung oft problematisch sind, ja Scheitern vielfach programmiert ist.

Das hat zum einen damit zu tun, dass wir uns meist zu große Ziele setzen, zum anderen die Konsequenzen der angestrebten Verhaltensveränderungen nicht gründlich überlegt haben. Schließlich gelten Rauchen, der Konsum von sündig Süßem und faules Couch-Potatoe-Dasein zwar als Laster. Wären sie aber nicht allesamt auch mit Lust und Genuss verbunden, würden wir sie wohl leichter los.

Wir haben uns für 2021 nicht gleich vorgenommen, Vegetarier zu werden, aber deutlich weniger Fleisch zu essen. Zwar liegen mein Mann und ich mit unserem Konsum nicht nur unter dem österreichischen Schnitt (sechzig Kilo Fleisch pro Kopf im Jahr), sondern setzen schon seit vielen Jahren auf regionale Bio-Produkte. Zumindest wollen wir sicher gehen, dass die Tiere, die wir uns einverleiben, ein artgerechtes Leben hatten und stressarm geschlachtet wurden.

Essen und Ethik

Moralisten stoßen auf taube Ohren, wenn sie mit erhobenem Zeigefinger und ebenso realen wie nachweislichen Argumenten (Tierleid, Zivilisationskrankheiten, Klimaerwärmung) Schweinsbraten-Fans zu Tofu-Aficionados bekehren wollen. Auch Ethiker und Philosophen, die seit gut zwei Jahrzehnten ein radikales Umdenken fordern, haben dem Massenkonsum von Fleisch keine Grenzen gesetzt. Tendenz steigend: Bis zum Jahr 2050 soll sich laut Schätzungen die weltweite Nachfrage von derzeit 330 Millionen Tonnen auf über 450 Millionen Tonnen im Jahr erhöhen.

Dass man zur Produktion von einem Kilo Fleisch mehr Energie und Wasser benötigt als für dieselbe Menge an Kalorien auf pflanzlicher Basis, gehört schon bald zum Allgemeinwissen. Um ein Kilo Schweine- oder Hühnerfleisch herzustellen, braucht es zwei Kilo Mais, Soja oder Weizen. Bei Rindfleisch sind es sogar sechs Kilo.

War früher üppige, fleischreiche Nahrung Ausdruck von Wohlstand, distinguiert man sich heute durch gezielten Verzicht. Aber ein Steak oder Kotelett ist nun einmal im Nu abgebraten. Frisches Gemüse zu putzen, zu kochen oder zu schmoren dauert nicht nur länger, sondern erfordert auch ein höheres Maß an Kochkunst.

Vom deutschen Philosophen und Anthropologen Ludwig Feuerbach (1804–1872) stammt das bekannte Zitat „Der Mensch ist, was er isst“. In unserer Wohlstandsgesellschaft haben wir bezüglich Ernährung die Wahl.

Unter den schönen Geschenken, die uns vergangene Weihnachten erfreuten, war ein kleines Buch mit dem Titel „Junges Gemüse“. Die Devise, die über den achthundert Rezepten steht? „Sei nett zu Dir selbst und zu Deiner Umwelt“. – Das leuchtet ein und motiviert nachhaltiger, als der erhobene Zeigefinger von Zeitgenossen, die ihren eigenen Lebensstil für überlegen halten.

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