Wenn Eva an ihren letzten runden Geburtstag zurückdenkt, kann sie sich immer noch ganz schön echauffieren. Die Inhaberin eines kleinen, feinen Möbelladens hatte anlässlich ihres Fünfzigers hundert Leute in das geschichtsträchtige Herrenhaus eines Freundes geladen. Ganz nach Evas Art kredenzte sie ein höchst deliziöses Menü, alles von der begnadeten Köchin selbst gemacht. Nach dem Champagner einer berühmten Luxusmarke begleiteten edelste Rebsäfte die fünf Gänge. Und weil die temperamentvolle Jubilarin auch gern eine flotte Sohle aufs Parkett legt, engagierte sie sogar Tanzgeiger, die live aufspielten. Kurz gesagt, das Geburtstagskind hat – wie es seine großzügige Art ist – weder Kosten noch Mühen gescheut.
Nun sind solche Einladungen ja keine Gegengeschäfte und an sich ist schon die Gesellschaft lieber, kluger, unterhaltsamer Freunde in bester Laune ein Geschenk.
Aber Eva hat sich schon etwas mehr erwartet. In der Einladung bat sie explizit darum, von Geschenken abzusehen und stattdessen für ein Spital in Kathmandu zu spenden.
„Weißt Du, wie viele Gäste dieser Bitte nachgekommen sind?“, fragte sie mich. – „Zwei! Magere 150 Euro sind in dem bereitgestellten Sparschwein gelandet.“
Viele hätten gar nichts geschenkt und auch nach dem Fest nicht einmal Blumen gesendet, weshalb die enttäuschte Gastgeberin in den folgenden Jahren auch nicht mehr zu Geburtstagsfesten lud.
„In vielen Kulturen finden Austausch und Verträge in Form von Geschenken statt, die theoretisch freiwillig sind, in Wirklichkeit jedoch immer gegeben und erwidert werden müssen“, konstatierte der französische Sozialwissenschafter Marcel Mauss (1872–1950) in seinem Essay „Die Gabe“ (1923/24). Er definiert die Gabe als einen Prozess aus Geben, Annehmen und Zurückgeben, der Vertrauen und damit friedliches Zusammenleben ermöglicht.
Anlassspenden
Vielleicht ist Eva ihrer Zeit voraus. Oder der Großteil ihrer geladenen Gratulanten war nicht in ihrer ökonomischen („Ich hab schon alles“-) Situation.
In der Gesellschaft betuchter Erben oder Großverdiener gehört es nämlich schon regelrecht zum guten Ton, zu Spenden für karitative Zwecke aufzurufen, statt sich selbst beschenken zu lassen. So wird der Jubilar zum Wohltäter, das Fest zum Charity-Event. Aber nicht alle Gratulanten wollen auf Befehl zur Wohltat schreiten. Hinter dieser Verweigerung können viele Gründe stecken: Einer davon könnte sein, dass den Festgästen das Schicksal bedrohter Orang-Utan-Babys ein größeres Anliegen ist als die Armut in Nepal. Ein anderer, dass sich die Wertschätzung für die Einladenden im Fall einer Spende ja so gut wie ausschließlich an deren Höhe messen lässt und nicht etwa daran, wie originell, passend oder einzigartig ein Geschenk ist. Und dass der gesamte Prozess – von der Idee, über den Erwerb bis hin zur Verpackung und der Übergabe eines persönlichen Präsents im Falle einer Geldspende wegfällt.
Heuer war Eva übrigens zu einem Sommerfest ihrer „wirklich sehr wohlhabenden Nachbarn“ eingeladen. Die baten zu Würstel mit Gebäck und um eine Spende für den Tiergarten Schönbrunn. Ihre Erwartungen kommunizierten sie auch gleich in der Einladung: Jeder sollte pro Lebensjahr einen Euro bezahlen. „Ich bin da gar nicht erst hingegangen. Schließlich macht sich ja eh jeder jünger“, so die inzwischen 54-Jährige.
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