Johannas Fest: Verbindendes Pfannengericht

Paella gemeinsam zu verspeisen gilt als ein sozialer Akt, ein Ritual mit verbindender Wirkung.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Pilar ist wieder da. Unsere quirlige Freundin aus Barcelona, die die Liebe zu unserem Freund Stefan ins niederösterreichische Mostviertel verschlug; nicht nur eine Bereicherung für ihn, sondern auch für all seine Freunde vor Ort. Die 33-jährige Katalanin ist nämlich stets gut gelaunt, unternehmungslustig und eine nimmermüde, großzügige Gastgeberin. Nach einem mehrwöchigen Heimaturlaub in Barcelona ist sie pünktlich zur Mostblüte mit reichlich kulinarischem Übergepäck in die Alpenrepublik zurückgekehrt.

„Am Sonntag gibt’s Paella, ich rechne fix mit euch!“, verkündete sie ebenso freundlich wie bestimmt via Whatsapp. Schon beim mitgesendeten Anschauungsmaterial, einer riesigen Eisenpfanne mit kunterbuntem Inhalt, lief uns das Wasser im Mund zusammen: gelber Reis, Paprikastreifen, Erbsen, Calamari, Miesmuscheln, Krabben, daneben eine Bouteille Cava.

Theoretisch könnten wir ja jetzt schon nach Valencia fliegen, wo das berühmteste Gericht der iberischen Halbinsel herkommt. Aber erstens ist ja mit dem 19. Mai alles wieder geöffnet worden und nach all den Monaten Homeoffice samt Videokonferenzen wieder physische Präsenz im Job angesagt. Zweitens wird es ja jetzt wohl auch hierzulande demnächst einmal sonnig und warm werden. Am viel zu kühlen, aber zumindest überwiegend trockenen Pfingstsonntag standen wir in Daunenjacken gehüllt um die Kochstelle im Garten herum. Außer uns und den Gastgebern verfolgte noch ein weiteres befreundetes Paar mit seinen beiden Knirpsen im Vorschulalter die Zubereitung des einstigen „Arme-Leute-Essen“.

Reine Männersache

Die Hüter dieses Traditionsgerichtes hätten Pilar vermutlich verhaftet. – Warum? Weil Muscheln, Krabben, Calamari und Erbsen in der authentischen valencianischen Paella nichts, aber schon rein gar nichts, verloren haben. Genauso wenig wie Pilar als Köchin hinter der Feuerstelle. Gleichberechtigung hin oder her: Paella wird traditionell ausschließlich von Männern zubereitet. Und zwar ausschließlich mit den Ingredienzien Huhn, Kaninchen, Reis, Schnecken, Tomaten, Paprika, Salz, Safran, Wasser und Bohnen. Alles andere ist „arroz con cosas“, Reis mit Zeugs.

Vor einigen Jahren stellten drei Hüter des kulturellen Erbes eine eigene Wikipaella-Seite ins Web. Dieser Akt war eine Reaktion auf den britischen Herdkünstler Jamie Oliver. Als der eine Paella mit der Knoblauchwurst Chorizo versah, war die Wut der Spanier am Kochen. Das war eine Sünde, Pervertierung, ja Bastardisierung ihres Traditionsgerichtes, das noch weit mehr können soll als satt machen: Paella gemeinsam zu verspeisen gilt als ein sozialer Akt, ein Ritual mit verbindender Wirkung.

Wir genossen unseren „Reis mit Zeugs“, obwohl Pilar mit dem Ergebnis ihrer Bemühungen nicht zufrieden war. Sie habe Risotto-Reis verwendet, der gebe aber zu viel Stärke ab und sauge die Garflüssigkeit zu wenig auf. Den perfekten Reis für eine Paella lieferten die Sorten „Senia-Bahía“ oder „Arroz Bomba“, die in Valencia angebaut werden.

Das Pfingstsonntagessen hat auch uns verbunden: Wir haben beschlossen, Wiederholungstäter zu werden und die 40-Zentimeter-Durchmesser-Pfanne zum Wanderpokal zu machen. In den kommenden Wochen wollen wir reihum Paella kochen und in der bewährten Besetzung genießen.

Aus einem mach’ drei Feste – der Sommer kann kommen!

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