Johannas Fest: Tafelfreuden zum Nulltarif

Im Wiener Prater wächst diese Gemüse-, Gewürz- und Heilpflanze derartig üppig, dass man auch bei Sichtung mehrköpfiger Sammlerkonkurrenz nicht einmal ansatzweise Futterneid entwickeln muss.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

„Das Leben ist lebensgefährlich.“ – Das wissen wir. Nicht nur wegen der allgemeinen Gefahr, die derzeit kleine und größere Menschenansammlungen an öffentlichen Engstellen oder in den Gängen von Supermärkten darstellen. Im vergangenen Sommer bis Herbst – es war ein Schwammerljahr der Superlative – hat mein Mann zusätzliche Risiken gewittert; und zwar immer dann, wenn ich von einem ausgedehnten Waldspaziergang mit mehreren Prachtexemplaren unserer Lieblingspilze, der Parasole nämlich, heimgekehrt bin. Mit Argusaugen beobachtete mich der Gespons, bis ich den ersten panierten Hutträger verspeist hatte. Erst dann wagte er sich an das goldbraune Backgut auf seinem eigenen Teller heran.

Ab Dezember, wenn die vermeintliche Speisepilz- flaute im Wald einsetzt, bis Ende Februar entspannt sich dann esstechnisch die bedrohliche Lage für den Herrn Gemahl.

Doch die Schonfrist für seine Nerven dauert nur zwei bis drei Monate. Alljährlich beginne ich Ende Februar Böschungen in Bachnähen nach sattem Dunkelgrün abzusuchen. Wenn wir in Wien sind, brauche ich während eines Ausflugs mit unserer Felltochter Amy in den Grünen Prater nur der Nase nach zu gehen. Es ist Bärlauch-Zeit und die Luft riecht nach Knoblauch. Im Wiener Prater wächst diese Gemüse-, Gewürz- und Heilpflanze derartig üppig, dass man auch bei Sichtung mehrköpfiger Sammlerkonkurrenz nicht einmal ansatzweise Futterneid entwickeln muss. Es ist einfach für alle mehr als genug da.

„Bist du eh ganz sicher, dass du Bärlauch und nicht seine giftigen Doppelgänger – die Blätter der Maiglöckchen oder der Herbstzeitlosen – gesammelt hast?“, pflegt mich mein Mann seit Jahren zu fragen, ehe er sich an der cremigen Suppe, die ich aus dem Wildgewürz zubereite, delektiert. „Ganz sicher!“, entgegne ich dann jeweils. Zum Beweis zerreibe ich ein rohes Blatt zwischen den Fingern und halte es ihm unter die Nase: „Da, riecht nach Knoblauch. Das tun die Maiglöckchenblätter nicht“, versuche ich seine Bedenken zu zerstreuen. Dann zeige ich ihm noch die Rückseite eines rohen Bärlauchblattes, die im Gegensatz zu ihren glänzenden giftigen Doppelgängern immer matt ist. Dann kommen die Funde mehrmals pro Woche in unterschiedlichster Verarbeitung auf den Speiseplan.

Vielfältiges Allium

Mit Topfen, Joghurt und Zitrone lässt sich aus denStängeln im Handumdrehen ein schmackhafter Aufstrich fabrizieren, mit Olivenöl, Parmesan und etwas Pinienkernen ein köstliches Pesto. Keine großen Kochkünste sind erforderlich, um einen delikaten Strudel aus dem Wildgemüse, das zur Gattung der Allium-Gewächse zählt, zuzubereiten: Etwas Schafkäse, Erdäpfel, Spinat, Sauerrahm und eine Prise Muskatnuss zwischen die Blätterteighülle, ab ins Rohr und fertig ist der Hochgenuss!

Wenn der Bärlauch beginnt, Knospen zu bilden, ist es auch wieder an der Zeit, die Auwälder nach Morcheln zu inspizieren.

Aber davor muss ich nächste Woche unbedingt noch in den Laubwald. In der Radio-Sendung „Vom Leben in der Natur“ erfuhr ich nämlich von mir bislang unbekannten Schätzen. Die Rede war von Winter- pilzen. Unter den Buchen soll man sie suchen unter Holunder, Eschen, Erlen und auf Totholz. Und reich sei es angeblich, das Angebot von Samtfußrüblingen, Austernseitlingen, Birkenporlingen und Schmetterlingstrameten.

Werde ich fündig, wird das Leben noch ein bisschen gefährlicher für meinen Mann. Aber das ist eine andere Geschichte und die wird nächsten Sonntag an dieser Stelle erzählt.

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