Johannas Fest: Putzen und Feste gehören zusammen
Spätestens ein paar Tage vor Allerheiligen haben wir die Gräber gerichtet. Laub und heruntergefallene Äste waren zu entsorgen, die Randsteine sauber zu kehren, der Grabstein zu wischen, frische Chrysanthemen als bunter Blickfang in den Rasen zu buddeln. Und natürlich Kerzen zu entzünden. Ob das die Seelen unserer lieben Verstorbenen erfreut, oder mehr unseren Ordnungssinn befriedigt, ist eine Glaubensfrage.
Fix hingegen ist, dass Weihnachten vor der Türe steht. Einundvierzig Tage haben wir noch Zeit, unsere Behausungen, in denen wir das Fest zelebrieren wollen, auf Hochglanz zu bringen. Diesem alljährlichen Ritual können sich nur Alleinstehende entziehen und Menschen, die die stillste Zeit des Jahres in einem Hotel genießen. Putzen gehört schließlich zum Fest wie Saft zum Gulasch.
Der mit der Zeit aufgestauten Unordnung mit wild entschlossener Räumwut und dem Staub unter Bewaffnung mit diversen Gerätschaften und Mitteln zu Leibe zu rücken, steht vor und nach jeder Einladung auf dem Programm. – Die mühsame Kehrseite glanzvoller Feste. Außer man macht auch diese „Tabula rasa“-Aktionen zum freudvollen Ereignis. Mit meiner Schwester Helene war ich als Kind dreimal im Jahr zum „Abziehen“ der damals unversiegelten Parkettböden eingeteilt. Sie legte lustige Schlager auf, wir twisteten auf unseren Stahldraht-Knäueln durch die Räume und fegten im anschließenden Hexenritt auf unseren Besenstielen über die Flure. So wurde aus der Kinder-Zwangsarbeit jeweils eine Riesenhetz!
hackle sauber
2015 ging das Künstlerduo Honey und Bunny, bestehend aus Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter, gemeinsam mit dem Schauspieler Tom Hanslmaier im Rahmen des Festivals der Regionen in Ebensee von Haus zu Haus. Sie stellten den Öffnenden eine paradoxe Frage, nämlich ob sie ein Zimmer putzen dürften. „hackle sauber“ hieß die Aktion. Während die Männer im Smoking putzten, interviewte Sonja Stummerer die Frauen, die sie in den Häusern angetroffen hatten. Das Säuberungstrio erkannte viel gesellschaftspolitisches Potenzial im Thema Putzen und nahm dieses aus unterschiedlichsten Aspekten unter die Lupe. Ihre Erkenntnisse haben sie in dem vor kurzem präsentierten Buch „Putzen – Eine Kulturtechnik“ zusammengefasst.
In dem 216 Seiten starken Werk finden sich unter anderem Kapitel wie „Kultur und Politik“, „Schmutz und Sauberkeit“, „Mittel und Geräte“, „Putzen und Design“ und „Umwelt und Gesundheit“. Man liest von der Geschichte des Staubsaugers, erfährt, wie die Seife erfunden wurde, vom Wert des Putzens und dem Putzen als Wirtschaftsfaktor. Dazwischen sind ebenso ästhetische wie irritierende Fotos, die Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter an unterschiedlichsten Orten beim Putzen zeigen, zu sehen. Die Abbildungen sind „ganz großes Kino“, so wie das Architekten- und Künstlerduo Honey und Bunny selbst auch.
Das Buch kann man sich als Motivationsmittel vor dem Weihnachtsgroßputz mehrmals zu Gemüte führen. Vielleicht dient es auch als Inspiration für ein gemeinsames Putzfest in paradoxer Kostümierung. Es ist aber ebenso gut als Geschenk unter dem Christbaum geeignet. – Wer damit Leute beglücken will, die es mit Sauberkeit und Ordnung nicht allzu genau nehmen, sollte allerdings einen humorvollen Text auf die Weihnachtskarte schreiben, um zu vermeiden, dass es Messies als Wink mit dem Zaunpfahl verstehen.
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