Johannas Fest: Mykologische Passionen

Für die winkenden Funde ist mir fast kein Anstieg zu steil, kein Boden zu gatschig und kein Dickicht zu unwegsam.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Wie vergangenen Sonntag an dieser Stelle avisiert, sollte es heute unter anderen um Samtfußrüblinge, Birkenporlinge und Schmetterlingstrameten gehen. Das sind nur einige der bunten essbaren Waldbewohner, die im Winter aus Totholz, Zweigen und Baumstämmen sprießen. Von deren Existenz hatte ich trotz meiner ausgeprägten Passion fürs Schwammerlsuchen bis vor Kurzem keinen blassen Schimmer; konkret bis zur letzten Februarwoche, als es in der Ö1-Sendung „Vom Leben der Natur“ um unbekannte Schätze des Waldes ging. Der Agrarwissenschaftler Stefan Marxer sprach fünf Mal fünf Minuten über Winterpilze. Unter den Buchen solle man sie suchen, unter Holunder, Eschen, Erlen und auf Totholz. Und reich sei es angeblich, das Angebot an Austernseitlingen, Zinnoberroten Prachtbecherlingen und Judasohren, die frappante Ähnlichkeit mit dem menschlichen Hörorgan hätten.

Marxer verstand sich darauf, in der knappen Sendezeit so bildreich über Pilze zu erzählen, dass ich schon fast vermeinte, den Wald zu riechen. Jedenfalls war die Motivation, bei erster Gelegenheit auf die Pirsch zu gehen und einen vegetarischen Sonntagsbraten zu sammeln, hoch. Gesagt, getan. Für die winkenden Funde ist mir fast kein Anstieg zu steil, kein Boden zu gatschig und kein Dickicht zu unwegsam. Ehe ich mich auf die Suche machte, habe ich schon einmal Rezepte für die Zubereitung von Austernseitlingen und Samtfußrüblingen studiert. Letztere wollte ich zu einer cremigen Suppe verarbeiten, Erstere zum Sonntagsschnitzel mit Wildkräutersalat.

Frühlingserwachen

Erwartungsfroh zog ich bergauf und waldeinwärts bis zu sumpfigen moosbedeckten Stellen. Aber die Objekte meiner Begierde ließen sich nicht blicken. Ein einziger toter Baumstumpf am Wegrand war Wirt einer ganzen Kolonie von Trameten. Oder waren es angebrannte Rauchporlinge, die sich da mit enormer Kraft an die Rinde hielten?

Ich fotografierte die Population und stemmte drei Exemplare aus dem Holz heraus, um sie daheim zu bestimmen. Die Untersuchung ergab keinen eindeutigen Befund.

Beim Durchstöbern des Internets nach passenden Bildern stieß ich auf ein Buch mit dem Titel „Pilzvergnügt“, das 2020 im Löwenzahn-Verlag erschienen ist. Das reich bebilderte Druckwerk macht Lust auf Schwammerlsuche, informiert darüber, wann und wo sich die Pilzjagd lohnt, über die Bestimmung der Funde, bis zu deren Zubereitung und Konservierung. Welche Überraschung: Der Autor heißt Stefan Marxer. Ich recherchierte seine Telefonnummer, fasste mir ein Herz und rief ihn in meiner Not nach der erfolglosen Pirsch an. Gleich nach ein paar Sätzen war klar, dass ich nicht am falschen Ort gesucht hatte, sondern zur falschen Zeit.

„Die Zeit der Winterpilze ist schon vorbei. Auf Youtube können Sie sich unter dem Titel „Frühlingserwachen mit frischen Pilzen“ (youtu.be/Cf67VlXhLzU) ansehen, was wir bei unserer letzten Expedition gefunden haben. Österreichische Prachtbecherlinge und die maximal daumennagelgroßen Fichtenzapfenrüblinge“, erklärte der Experte.

Ich rief den Link auf und bereute keine der sechsundzwanzig Minuten, die das stimmungsvolle Video dauert. Zum Schluss kündigte „Mykohunter 365“ noch an, dass er bald für den nächsten Beitrag in den Donauauen nach Morcheln suchen werde.

Ob ich da wohl mitgehen dürfte? – Zu meiner großen Überraschung sagte mir der Wissenschaftler zu. Kuratiertes Pilzesuchen – das wird ein Fest für alle Sinne!

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