Johannas Fest: Man gönnt sich ja sonst nix

Mit Spannung verfolgten wir den Höhepunkt des kleinen Festaktes, als Otto zum Trüffelhobel griff...
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Traditionell gehört der 1. November nicht zu unseren Lieblingstagen: nebelig, feucht, kalt, traurig – das sind so die ersten Assoziationen, die meinem Mann und mir in den Sinn kommen, wenn wir an Allerheiligen denken. In den vergangenen Jahren entflohen wir dem drohenden Trübsinn und fuhren um diese Zeit für ein verlängertes Wochenende nach Slowenien. In Piran, wo auch zwei befreundete Wiener Paare um diese Zeit immer Kurzurlaub machen, mieteten wir uns in einem Boutiquehotel mitten in der Altstadt ein. Fast immer schien die Sonne, man traf sich am Strand, im kleinen Fischerhafen oder abends auf dem vom österreichischen Architekten Boris Podrecca umgestalteten Tartini-Platz; ein riesiges ellipsenförmiges Freiluftwohnzimmer, gesäumt von Cafés und ein paar Geschäften.

Zum fixen Highlight, das wir uns nur einmal im Jahr gönnten, zählte jeweils auch eine Fahrt nach Momjan in Kroatien zum Trüffelessen. Unser Stammlokal dort ist eine Konoba im Flusstal von Argilla unter dem Kastell der 290-Einwohner- Ortschaft. Beim Aperitif auf der Terrasse genießt man die beglückende Aussicht auf die umliegenden Weinberge, Olivenhaine und Obstgärten, klanglich untermalt vom sanften Plätschern des nahen Baches. – Idylle pur!

Für ein viergängiges Menü mit reichlich weißen und schwarzen Trüffeln samt edler Weinbegleitung haben wir pro Person zuletzt umgerechnet zwischen 70 und 80 Euro gezahlt.

Gaumen-Nostalgie

Mein Mann und ich sehen uns am Handy die Fotos aus den vergangenen Jahren in dem venezianischen Städtchen Piran an und seufzen: Als wäre es gestern gewesen, steigen die schönen Erinnerungen an die gemeinsame Fahrt im Fischerboot mit unseren Freunden Anna und Otto samt deren drei Kindern auf. Und unser kulinarisches Gedächtnis an Momjan treibt uns das Wasser im Mund zusammen.

Dann läutete das Handy. Otto war am Telefon. Eine seiner Bekannten, die mit dem Koch eines Wiener Haubenlokals verlobt ist, habe gerade Trüffel erstanden und ihm ein paar Knollen für 2,0 Euro pro Gramm angeboten. Ein Deka pro Person würde reichen für eine Hauptspeise, das koste dann pro Paar 40 Euro. Ob wir mit von der Partie wären? – „Klar, man gönnt sich ja sonst nix, das leisten wir uns quasi als ‚November-Tristesse-Prophylaxe‘!“

Otto, ein begnadeter Hobbykoch, komponierte ein kleines feines Menü bestehend aus einer Kürbiscreme-Suppe, selbst gemachten Tagliatelle mit Trüffelcreme und einem wahrlich weltmeisterlichen Birnen-Pie mit Tonkabohnen.

Mit Spannung verfolgten wir den Höhepunkt des kleinen Festaktes, als Otto zum Trüffelhobel griff und die in einem formvollendeten Kegel auf dem Teller platzierte Pasta mit hauchdünnen Scheiben aus den kleinen Knollen krönen wollte. Hatte bis dorthin alles geklappt wie beim Champions-Vorkochen, kamen jetzt plötzlich Komplikationen auf, die nicht für die Qualität der erworbenen Pilze sprachen: Die Knollen zerbröselten in kleine harte, geschmacklose Krümel. – Schade, aber egal, das Zusammensein mit unseren Freunden war herzerwärmend. Und vielleicht war es für viele Wochen das letzte Mal, gilt es doch menschliche Begegnungen auf ein Minimum zu reduzieren. – Ob wir heuer doch noch in einem auf Trüffelmenüs spezialisierten heimischen Lokal ein Gaumenfreuden-Revival suchen werden, steht in den Sternen. Genießen ohne Freunde schmeckt schließlich so schal wie vertrocknete Trüffel.

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