Johannas Fest: Liebestrank und Zauberessen
Der Sous-Vide-Garer, den mein Schwager meinem Mann vor drei Jahren geschenkt hat, nimmt samt Zubehör gut einen Kubikmeter Stauraum ein. Seit er in unserem Haushalt ist, wurde er genau zweimal in Betrieb genommen. Bei der – meiner Ansicht nach – nur von Sterneköchen bewältigbaren Aufgabe, das Fleisch eines Steinbocks mürb zu garen, hat das eine ganze Nacht lang lautstark blubbernde Gerät übrigens auch versagt. Der Braten war hart wie eine Schuhsohle!
Als eine, die ihre Mayonnaise noch in 20-minütiger Prozedur mit dem Kochlöffel rührt, bin ich keine Gesprächspartnerin für Männer, wenn es darum geht über die Vor- und Nachteile des Dampfgarers zu diskutieren. Auch meine Freundinnen Susi, Martina und Karin, allesamt hervorragende Köchinnen, lässt das Thema kalt. Vielleicht deshalb, weil wir lieber Kochrezepte schmökern, als buchdicke Bedienungsanleitungen zu studieren. Uns reichen die konventionellen Geräte wie eine gute Pfanne, scharfe Messer, ein Pürierstab, Herd, Backofen und Kohlegriller, um wohlschmeckende, mehrgängige Mahlzeiten zu produzieren.
Apropos Griller: Steht die meist berufstätige Frau immer noch fast selbstverständlich hinter dem Herd, haben Männer das Grillen zu ihrer Domäne erhoben. Die archaischen unter ihnen machen noch Feuer mit Holz, Buchenspänen und Briketts. Für die anderen ist der Outdoor-Gasherd mit seinen digitalen Thermometern, die sich via Bluetooth mit der dazugehörigen App verbinden, die Anleitungen, Tipps und Rezeptideen direkt aufs Smartphone oder Tablet liefert, das ultimative Gadget.
Sein „Armaturen-Brett“ erinnert an ein Cockpit, so wird der Mann in seinem Garten oder auf seiner Terrasse zum Kapitän.
Kochen – ein Erotikon
Zu den Träumen vieler männlicher Hobbyköche gehören neben Barbecue-Smokern oft auch Eismaschinen, Karkassen-Pressen, Flambier-Brenner und KitchenAids. „Die Küche ist ein Statement und hat das Auto als Statussymbol abgelöst. Sie ist der neue SUV“, analysiert der Designer Maciej Chmara, der in seinem Buch „Essays on Kitchens“ unter anderem die Küche „als Spiegel unserer Gesellschaft“ beleuchtete.
Aber Hightech-Küchen mit Drei-Sterne-Herden und Dialoggarern machen noch keinen Amateur zum Haubenkoch. Darüber hinaus haben Studien gezeigt, dass in den teuersten und luxuriösesten Küchen nur wenig gekocht wird.
Schade, denn „Kochen gehört zu den ältesten Kulturtechniken des Menschen“, weiß Österreichs Avantgardefilmer Peter Kubelka, der seit Jahrzehnten in Vorträgen und Performances einen erbitterten Widerstandskampf gegen „Mikrowellenherde, Nouvelle Cuisine und andere Todfeinde der traditionellen regionalen Küche“ führt.
„Im Mythos gibt es den Liebestrank oder das Zauberessen. Daher ist Kochen neben der Selbstdarstellung der Kulturen auch ein Erotikon, ja eine strategische Waffe“, so Kubelka.
Küchen mögen sich technisch immer weiterentwickeln und Geräte uns Arbeit abnehmen.
Was sie nicht mitliefern, ist das Fingerspitzengefühl, sensorische Sicherheit und den emotionalen Mehrwert zum Nährwert.
Gemeinschaftliches Essen und Trinken geht ja bekanntlich über die Deckung des Energiebedarfs hinaus. Neben der Kalorienzufuhr beschert es uns soziale Wärme. Gemeinsamer Genuss verschafft uns körperliches und geistiges Wohlgefühl. Und das ist es, was wir gerade jetzt so dringend brauchen!
Kommentare