Johannas Fest: Kulinarischer Tabubruch

Mir selbst bin ich untreu geworden, indem ich ein bislang in Stein gemeißeltes Prinzip über Bord geworfen habe. Es geht um die Mikrowelle.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Heuer bin ich untreu geworden. Nein, nicht dass ich den Göttergatten hintergangen hätte. Mir selbst bin ich untreu geworden, indem ich ein bislang in Stein gemeißeltes Prinzip über Bord geworfen habe. Es geht um die Mikrowelle, die ich bis dato wie ein aussätziges Feindbild betrachtet habe. Standhaft postulierte ich: „So was kommt mir nicht in meine Küche!“ Es kam mir nicht in die Küche und wer Fertigmenüs in diesen Kurzwellen aussendenden Apparat schob, war in meinen Augen schlicht und einfach der Inbegriff eines kulinarischen Neandertalers.

Den Grundstein für meine feindselige Haltung gegenüber dieser in anderen Haushalten selbstverständlich präsenten Küchenhilfe legte Österreichs bekanntester Avantgardefilmer, Peter Kubelka. Kubelka war ein Pionier hinsichtlich der Auseinandersetzung mit dem Thema Kochen auf akademischem Boden. An der Städel Kunsthoch- schule führte er jahrelang – quasi mit erhobenem Kochlöffel – einen erbitterten Widerstandskampf gegen Mikrowellenherde, Nouvelle Cuisine, die damalige Europäische Gemeinschaft (EG) und andere „Todfeinde“ unserer traditionellen regionalen Küche.

Feind in meiner Küche

„Deckel drauf auf den Kochtopf!“, so der Spartipp unserer Frau Energie- und Klimaschutzministerin. – Das war mir etwas zu einfach. Nachdem die Gas- und Strompreise in den Himmel gestiegen sind, habe ich damit begonnen, einschlägige Prospekte zu studieren und zu überlegen, wo in der Küche mein langjähriges Feindbild einen fixen Platz finden könnte. Die Zeiten haben sich schließlich fundamental geändert. – Wie auch immer, ich habe diese technische Errungenschaft erworben, selbst eingepackt und für mich unter den Christbaum gelegt. Hätte mir mein Mann noch vor zwei Jahren ein solches Gerät geschenkt, wäre ich wahrscheinlich ein paar Tage verstimmt gewesen; einfallslos, geschmacklos, unromantisch hätte ich die Gabe empfunden.

Weit hab’ ich es also gebracht als eine passionierte Anhängerin von Slow Food, die noch der festen Überzeugung ist, dass von Hand gerührte Mayonnaise deutlich besser als die mittels Passierstab gefertigte ist. Für meine Begriffe bin ich mit dem Treuebruch tief gesunken. – Aber noch nicht bis ganz unten. Denn der Thermomix zum Beispiel kommt mir ganz sicher nicht in meine Küche.

Das hat allerdings unsere Freundin Angelika bis vor einem halben Jahr auch behauptet. Angelika ist eine Musikerin, die in ihrem kleinen Garten Obst und Gemüse zieht, von dem sie sich, ihren Mann und ihren Sohn fast das ganze Jahr hindurch ernährt.

Sie kocht begeistert ein – ich würde sagen, sie ist ein echter LOHA-Fundi. LOHA ist ein Akronym, das für „Lifestyle Of Health And Sustainability“ steht, also für einen „Lebensstil der Gesundheit und Nachhaltigkeit“.

Eine Freundin hat ihr vergangenes Jahr den Thermomix für eine Woche geliehen. „Probier’ ihn doch zumindest einmal aus!“, überredete sie Angelika.

Seither knetet, rührt, mixt und püriert der Alleskönner für sie und dank freier Hände hat die Mutter eines Buben im Volksschulalter jetzt mehr Zeit fürs Üben.

„Willst ihn Dir einmal ausborgen?“ fragte mich Angelika kürzlich. „Gott soll abhüten, so was kommt mir nicht ins Haus!“, wehrte ich entrüstet ab. – Wohl wissend, dass auch das nicht in Stein gemeißelt ist.

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