Johannas Fest: Gäste zur Kassa bitten

Brautleute, die weder selbst zu den Spitzenverdienern zählen, noch betuchte Eltern mit offenen Geldbörsen haben, entscheiden sich zunehmend für budgetschonende Alternativen.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Es gibt Paare, die sich auch nach Jahrzehnten des Zusammenseins nicht trauen; manche deshalb, weil sie fürchten, dass ihre Beziehung mit dem offiziell geschlossenen Bund fürs Leben den freiwilligen Charakter einbüßen könnte. Andere scheuen den Weg zum Traualtar samt vorangehenden und nachfolgenden Feierlichkeiten aus materiellen Gründen: Sie können oder wollen keine Unsummen in die opulente Inszenierung des „schönsten Tags“ in ihrem Leben investieren. Die Kosten, die für Einladungen rund um die Hochzeitszeremonie zu veranschlagen sind, erreichen schließlich je nach Event-Location, Dauer und Gästeanzahl schnell einmal den Preis eines Klein- oder Mittelwagens. Brautleute, die weder selbst zu den Spitzenverdienern zählen, noch betuchte Eltern mit offenen Geldbörsen haben, entscheiden sich zunehmend für budgetschonende Alternativen. Hier ein paar Beispiele:

„Teilzeit-Einladungen“. Vergangenen Sonntag versüßten wir uns das Regenwetter mit einem geselligen Treffen in einem traditionellen Landgasthaus. Mit von der Partie waren Jochen und seine katalanische Lebenspartnerin Sofia sowie deren beste Freundin Elena aus Galicien. Jochen hätte am Vortag eine Einladung zu einer Hochzeit in einem Weingut gehabt. Allerdings nur zur Agape, was der 40-Jährige unmöglich fand, weshalb er auch nicht hinfuhr.

„Etappen-Feiern“. „In den Niederlanden zum Beispiel wird in mehreren Formaten Hochzeit gefeiert“, warf Elena, die in Den Haag studiert hatte, ein. So könne man weniger enge Freunde oder Verwandte auf ein einfaches Essen oder nur zu einem Cocktail einladen. Das große und teure Gala-Menü ist dann einem kleinen Kreis vorbehalten. Das habe nicht nur finanzielle Vorteile, so die Politikwissenschafterin. So vermeidet man zum Beispiel auch, dass der Chef Zeuge einer besonders ausgelassenen, feucht-fröhlichen Party wird, oder Einblick in eine vielleicht skurrile Verwandtschaft erhält. – Apropos Verwandte: Die sind einander ja nicht immer alle grün und mit dem Feiern in Etappen könne man unliebsame Begegnungen vermeiden.

Konsum-Limits. Mein Mann erinnert sich an eine Bauernhochzeit, mit geschätzten 250 Gästen. Das Festessen fand in einem einfachen Landgasthaus statt. Zum dreigängigen Menü gab es auf den langen Holztischen je zwei Bouteillen Weiß- und Rotwein, sowie Karaffen mit Leitungswasser. Waren diese ausgetrunken, mussten die Eingeladenen ihren über das bereitgestellte Angebot hinausgehenden Durst auf eigene Rechnung stillen.

Spanische Sitten. „Ich zahle immer, wenn ich zu einer Hochzeit gehe. In der Regel so zwischen 150 und 200 Euro“, wirft Sofia ein. „Manche Brautpaare kommunizieren schon in der Einladung die Bankverbindung, auf die die Gäste ihren Kostenbeitrag überweisen sollen“, erläutert die 32-Jährige. Oder es werden nach dem Essen mit einem kleinen Souvenir für die Gäste Umschläge mit deren Namen überreicht, in die sie dann ihre Geldspenden stecken sollen. Als Richtwert für die Höhe des Beitrags gilt mindestens der Preis für die eigene Konsumation. Wer nur eine Karte mit Gratulation und herzlichen Glückwünschen hineintut, gilt als Geizhals oder gar als Zechpreller und hat denkbare schlechte Chancen, im gleichen Freundeskreis wieder eingeladen zu werden.

– Laut einer Studie des Hochzeitsplaners „Bridebook“ hat sich auch in Großbritannien ein Trend etabliert, die Gäste zur Kassa zu bitten: Nur 21 Prozent der Brautpaare zahlen die gesamte Konsumation ihrer Gäste.

– Da stellt sich letztendlich die Frage, ob man bei diesen Usancen noch von Einladungen sprechen kann und ob die Geladenen dann noch Gäste sind.

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