Johannas Fest: Ein Loblied auf das Wirtshaus
Die kürzesten Neujahrswünsche erhielten wir Anfang Jänner von unserem Münchener Freund Peter Peter: „Gruß und Kuss aus Syrakus!“, mailte der Kulinarik-Wissenschafter, der regelmäßig ganze Bücher zu den Kulturgeschichten einzelner Weltküchen verfasst. Der 66-Jährige, der auch als Professor für Gastrosophie (die Lehre von den Freuden der Tafel) an der Paris Lodron Universität in Salzburg unterrichtet, ist viel unterwegs. Neben der theoretischen Wissensvermittlung führt er auch passionierte bayerische Foodies zu ausgesuchten Spezialitäten-Lokalen Italiens und Frankreichs.
Auf dem Heimweg von seinen kulinarischen Forschungsreisen macht der Autor immer wieder Zwischenstation in der Donaumetropole. Dabei trommelt der Genießer seine Wiener Freunde, zu denen auch ich mich zählen darf, zum Besuch uriger Wirtshäuser zusammen. Nach den vielen Feiertagen mit aufwendiger Kocherei im privaten Rahmen eine ausgezeichnete Idee!
In den Wochen vor Weihnachten des vergangenen Jahres ist mir unsere Gastronomie besonders abgegangen. Auch – aber nicht in erster Linie – des Essens wegen.
Was das Speisen außer Haus immer wieder zum Fest macht, ist viel mehr die Empathie der Gastgeber für die zu Bewirtenden. Das gilt gleichermaßen im privaten Rahmen wie im Wirtshaus. Letzteres hat – wie schon der Name sagt – eine Wirtin oder einen Wirt, die das Lokal im besten Fall mit Leib und Seele führen.
Soziale Plattform
Vor Kurzem hat Peter Peter wieder einmal ein Lokal in einem Wiener Randbezirk ausgesucht, in den ich sonst so gut wie nie komme. Selbstredend sind dessen Wände noch original holzvertäfelt, am Stammtisch trifft sich ein Sparverein, an der Schank stehen die Doppler. Der Wirt kommt persönlich zur Aufnahme der Bestellung und die Entscheidung zwischen Blunzengröstl, Hirn mit Ei, Erdäpfel- gulasch, gebackener Leber und Schulterscherzel mit seinen klassischen Beilagen fällt alles andere als leicht.
„Ihr wisst gar nicht, wie glücklich ihr euch schätzen dürft mit eurer noch so intakten Wirtshauskultur“, lobt der Kulinarik-Forscher die Gastronomie in der Alpenrepublik, „die bei aller Innovationsfreude bewahrt, was gut ist“. Noch finden sich Klassiker wie etwa Knöpfle und Flädlesuppe im westlichsten Bundesland Österreichs, Heidensterz und Käferbohnen in der Steiermark, die Marillenknödel in Niederösterreich und in der Bundeshauptstadt Wiener Schnitzel, Tafelspitz und Gulasch auf den Menükarten der Wirtshäuser; meist frisch hausgemacht und zu erschwinglichen Preisen.
Dass solche Lokale noch existieren, ist angesichts der rasanten Zunahme einer immer unpersönlicheren Fast Food-Gastronomie, der Landflucht und des Personalmangels schon fast ein Wunder. Oder wenn doch erklärbar, dann mit dem Widerstandsgeist der Wirte, die trotz oft mangelnder Rentabilität weiter statt dichtmachen.
An den mit rot-weiß-karierten Tischtüchern gedeckten Holztafeln findet das Leben in all seinen Facetten statt: Der Raum wird zum Zufluchtsort für Hungrige und Durstige, für Kartenspieler und Diskutierer und der Wirt zum kulinarischen Seelsorger.
– Mögen sie doch bitte noch lange überleben. Gerade in unserer digitalisierten Welt brauchen wir diese sozialen Plattformen, die der österreichische Schriftsteller Heimito von Doderer (1896 bis 1966) schon im vergangenen Jahrhundert gar „als Rückgrat der Nation“ bezeichnete!
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