„Gib das Handy weg!“

„Gib das Handy weg!“
Ein Anruf. Daria: "Heb ja nicht ab!" Ich: "Aber wenn es weltbewegend ist?" Daria: "Die Welt kann warten."
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Eine beliebte Grußformel in verrückten Zeiten lautet: „Ich versteh’ die Welt nicht mehr!“ Wenn das jemand zu mir sagt, antworte ich: „Jetzt erst? Glückwunsch! Ich hab’ sie noch nie verstanden.“ Womöglich ist die Welt gar nicht als Konzept gemeint, das man verstehen kann. Es fängt ja damit an, dass sich jeder beim Wort Welt etwas anderes vorstellt: Der eine sieht eine blaue Kugel im All. Der andere denkt an 7,8 Milliarden Menschen. Der nächste sieht im Geist die Nachrichten – Krieg, Corona, Naturkatastrophen, Demonstrationen, Hunger. Wieder andere sehen die Schönheit von Serengeti bis Amazonas.

Und wie reagiert Daria, wenn jemand sagt: „Ich versteh’ die Welt nicht mehr!“? – Sie legt den Kopf schief, und ihr Blick fragt: „Was ist das, die Welt?“

Darias Perspektivwechsel, wenn sie über den Rand ihrer Futterschüssel auf die Welt schaut, ist der Wald hinterm Haus. Und „blaue Kugel“ ist für sie maximal der Ball von Setter Sammy. Daria denkt auch nie an 7,8 Milliarden Menschen, sondern maximal an 7 oder 8, die in ihrem Leben regelmäßig vorkommen.

Die Welt kann warten

Daher ist ihr auch das Raum-Zeit-Konzept des Mobiltelefons suspekt. Wieso sollte man sich, während man glücklich zu zweit durch den Wald rennt, sich in der Wiese wälzt und Wildspuren erschnüffelt, mit weit weg befindlichen dritten Personen verbinden, um weit weg liegende Termine, wie die Sitzung vom kommenden Dienstag oder das Mittagessen vom nächsten Sonntag, zu besprechen?

Daria mochte mein Handy noch nie. Es lenkt mich ab. Es lenkt mich vom Hund ab, vom Augenblick und von mir selbst. Bis jetzt hat sie ihren Protest dadurch ausgedrückt, dass sie, sobald ich mich auf mein Handy konzentriere, einfach abhaut. Was so viel heißt wie: „Wenn du dich anderwertig beschäftigst, kann ich das auch.“ Seit einigen Tagen hat sie eine neue Strategie: Sobald ich das Handy raushole, bleibt sie stehen. Da hilft kein freundliches Auffordern, kein An-der-Leine-Ziehen, nicht einmal ein Hundekeks. Sie steht und streikt.

Stecke ich das Handy wieder ein, können wir weitergehen. Ich vermute, Daria erzieht mich. Ihr Protestblick sagt eindeutig: „Ich weiß zwar nicht, was die Welt sein soll, aber sie kann warten!“

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