Alles schmeckt besser als daheim: Der Gaumen auf Urlaub

Sommer, Sonne und das Meer: Die Urlaubsstimmung macht aus Weinen mit bescheidenem Geschmack oft sensorische Meisterwerke.
Christina  Fieber

Christina Fieber

Man kennt das. Im Urlaub ist man nachsichtiger. Selbst der kritischste Gaumen scheint gnädig gestimmt. Alles schmeckt irgendwie besser als daheim: Die Sonne, das Meer, die lauen Sommerabende tragen schon mal dazu bei, Weine von bescheidenem Geschmack und fragwürdiger Provenienz für sensorische Meisterwerke zu halten. Reist man im Urlaub dann auch noch durch ein Weingebiet, wird der Kofferraum gerne bis zum letzten Quadratzentimeter mit lokalen Gewächsen vollgerammelt. Daheim erlebt man mitunter schonungslose Ernüchterung: Der Wein schmeckt dann nicht selten so schlicht, wie er vermutlich auch ist.

So manche Kinder der 1970er-Jahre erinnern sich auch mit einer Mischung aus Schaudern und Sentimentalität daran, wie geschmacklich bedingt treffsichere Eltern nach dem Badeurlaub in Jesolo oder Rimini hektoliterweise rustikalen Chianti in der Korbflasche oder süßen, sprudelnden Lambrusco über die Grenze schmuggelten – in der festen Überzeugung, es handle sich hierbei um önologische Preziosen. Mit viel Glück wurden die Flaschen im Eigenheim dann ungeöffnet zu auffälligen Ziergegenständen zweckentfremdet und keiner musste sie trinken. Andererseits, es ist Urlaubszeit und tut der Seele wahrscheinlich verdammt gut, das streng geschulte Verkostungsinstrumentarium auf Ferienmodus zu schalten und sich völlig tiefenentspannt dem Hauswein der Trattoria, Konoba oder Taverne hinzugeben. Weil er just in diesem Augenblick, an diesem Ort einfach fantastisch schmeckt. Nur nach Hause sollte man ihn nicht mitnehmen.

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

flaschenpost@kurier.at

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