Vom Fitnessvideo zur Outdoorjacke: Wir werden ja doch gescheiter
Es ist nicht immer mit freiem Auge zu erkennen, dass die Menschheit klüger wird. Und doch gibt es Lichtmomente, in denen eine gewisse Evolution des kollektiven Geistes erkennbar ist. Zum Beispiel bei der Entwicklung des Fitnesstrends.
Der wurde in den 1980ern erstmals in Form von neongelbpinken Trainingsbodys und -leggings sichtbar (und nahm uns damit fast das Augenlicht). Der Großteil der westlichen, gut genährten Weltbevölkerung hampelte mit dem Blick auf athletische Vorturnerinnen und Vorturner in ihren Fernsehern durch die eigenen Wohnzimmer, ruinierte dabei Vasen und Vitrinen, weil man fit werden wollte. Auf das kurze Zeitalter dieser Fitnessvideos folgte jenes der monströsen Rad-Ergometer, die nun dort standen, wo einst die Vitrine war. Der Konsum erklärte uns erfolgreich, dass wir so etwas brauchen, ohne dazuzusagen, dass wir es nur als Kleiderablage nutzen werden. Dann kamen die Fitnesscenter und das war insofern ein Fortschritt, als eine ungenutzte Mitgliedskarte im Gegensatz zum ungenutzten Ergometer in die Brieftasche passte.
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Auf die Idee, dem Fitnesswahn im Freien nachzugehen, kam man nicht. Outdoor war out. Der Plan war: Ich mache mich im kuschelig Warmen beweglicher, um mich dann in der Kälte besser bewegen zu können. (legendär: die Skigymnastik!) Man durfte zu Recht am dauerhaften Fortbestand der Menschheit zweifeln.
Es war schlussendlich wieder der Konsum, der diese Absurdität durchbrach. Die Bekleidungsindustrie schwatzt uns seit den Nullerjahren urpraktische und ultracoole Hosen und Jacken auf, dazu die Multifunktionswäsche. Die Menschheit fand sich plötzlich überall – auch in der schicken Innenstadt und im urbanen Supermarkt – in Outdoorgarderobe wieder. Für das Auge ähnlich traurig wie das Fitnessneon von damals, aber zumindest turnte man von da an draußen.
Und so wurde ganz nebenbei der Winter wieder cool.
Denn auch wenn weniger Menschen Ski fahren wollten (jetzt werden es wieder ein bisschen mehr, hört man), wollen doch alle ihre Softshells und Goretexen ausführen – auf Fackelwanderungen, als einfache Winterwanderer und in futuristischen Schneeschuhen.
Eh gut. Hauptsache raus.
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