Topfpflanzen, Zeugnisverteilung und süße Vorfreude
Darüber, dass die vergangenen zwölf Monate nicht das beste Jahr der Menschheitsgeschichte waren, müssen wir nicht diskutieren. Aber zumindest verfügen wir nun über Fähigkeiten, die uns ante coronam noch nicht zu eigen waren. Erstmals verging ein Jahr, ohne dass ich eine Topfpflanze im Hausmüll bestattete. Meine beste Freundin bäckt herrliches Sauerteigbrot. Der Hund beherrscht so viele Kunststücke, dass wir ihn an den Zirkus verkaufen könnten. Mein Mann bald auch, der kann bereits den „Sonnengruß“. Meine Mutter vermag, via Laptop zu unterrichten, und sogar meine über achtzigjährigen Großeltern besitzen Tablets.
Das ist wunderbar, doch am wunderbarsten finde ich, dass uns allen ein Gefühl zurückgegeben wurde, welches uns als Kinder das Leben versüßte: die Vorfreude! Oh, wie emsig zählte ich die Tage bis zum Sommerurlaub. Ich harrte jeder Zeugnisverteilung entgegen, weil wir einzig aus diesem Anlass beim Chinesen speisten. Voller Vorfreude, meine Freunde zu sehen oder etwas Besonderes zu unternehmen, konnte ich oft nicht schlafen.
Eintritt nur mit Umarmung
Als Erwachsene hingegen buchte man aus spontanen Launen heraus Städtereisen, ging essen, wann immer man nicht kochen wollte, empfand Verabredungen oft als Belastung, als noch mehr Stress am Wochenende. Das hat sich geändert.
Neulich sprachen der Liebste und ich darüber, wie gerne wir Urlaub machen, einen ausgiebigen Restaurantbesuch unternehmen oder all unsere Freunde zu einer Party bitten würden, zu der allerdings nur eintreten dürfe, wer sich ausgiebig umarmen lässt. In prächtigen Farben malten wir uns diese Vergnügen aus, wahrscheinlich prächtiger, als sie letztendlich sein werden, wenn sie stattfinden. Denn haben wir nicht als Kinder alle gelernt, dass ein Sprichwort tatsächlich stimmt? Vorfreude ist die schönste Art der Freude. Wie wunderbar, das nochmals erleben zu dürfen.
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