Fabelhafte Welt: Don Schwiegervater und sein Ristorante
Soll ich Ihnen den wahren Grund verraten, warum ich bis zu sechsmal die Woche Sport treibe? Manche Menschen halten sich mit „Low Carb“ in Schuss, mein Sportprogramm steht unter dem Motto: „Carbs forever!“ Endlich sperrt meines Schwiegervaters Ristorante in der Innenstadt wieder auf, das bedeutet: Focaccia, Pasta und Pizza! Nicht entweder-oder, sondern in dieser Reihenfolge. Die süditalienische Familie meines Mannes ist ein Kohlenhydrate-Massengrab, meine Wachauer Wurzeln hingegen erlauben mir große Mengen Carbs nur in Form von Weißwein. Ich muss mit Sport nachhelfen, aber diese Pizza ist es wert. Meine Freude über das Wiederaufsperren beschränkt sich allerdings nicht auf das Essen. Ich lernte in den letzten Jahren bei Don Schwiegervater, wie wichtig die Gastronomie für unsere Gesellschaft ist. Egal ob Essen gehen oder einen Verlängerten trinken: Der Mensch muss unter Menschen. Weder Ackerbau noch Mammutjagd betrieben wir als Einzelgänger. Wir brauchen Orte, an denen wir sozialen Austausch pflegen können: wo wir beobachten und beobachtet werden, wo Schönes gefeiert und Unschönes verarbeitet wird, wo wir unsere Geschichten erzählen und die anderer hören. Und vor allem: wo wir Geschichten erleben! Bei Don Schwiegervater lernte ich Gäste kennen, die sich in seinem Ristorante vor 35 Jahren verlobten und nun mit den Enkerln kommen. Oder andere, die alle harten Verhandlungen dort abschließen. Zweifelsohne können wir das Bauchi zu Hause verköstigen. Aber um auch unseren Geist zu sättigen, müssen wir zuweilen raus. Die Gastro braucht ihre Gäste, und wir brauchen unsere Gastro: damit wir auch in Zukunft Orte haben, an denen wir etwas erleben und an unseren Geschichten schreiben können. Händeschütteln, Bussi-Bussi und Umarmen sind leider noch suboptimal. Doch einander zuprosten geht auch mit einem Babyelefanten-Sicherheitsabstand.
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