Fabelhafte Welt: „Ich hab halt ’dacht, du bist so a g’schissene Weanerin“

Autofahrer aus Wien leben ganz schön gefährlich, wenn sie die Stadtgrenze verlassen.
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Mein erstes Auto war ein cappuccino-farbener Fiat mit viel Stauraum, wenig Pferdestärken und dem Namen „Alfredo“. Ich hatte dieses Auto nicht nur selbst ausgesucht und runtergehandelt, sondern auch bezahlt. Mein Stolz war grenzenlos. Ich erinnere mich noch gut an das erhebende Gefühl, meine ersten eigenen Autotaferln von der Versicherung abzuholen. Ich freute mich wie ein frisch lackiertes Hutschpferd, bis ich das erste Mal zu meinen Eltern fuhr. Ab der Autobahnabfahrt klebte mir ein aufgemotzter BMW quasi im Kofferraum, obwohl ich – wie alle Einheimischen – weit schneller als erlaubt unterwegs war.
Der BMW drängelte, betätigte die Lichthupe, als ob der Scheinwerfer einen epileptischen Anfall erlitte. Ich schwitzte, fluchte, und wo man links zu meinen Eltern abbiegt, blieb ich stehen. Wütend stieg ich aus und schlug dem BMW auf die Motorhaube. Als der Fahrer das Fenster hinunterließ, erschraken wir beide: Wir waren zusammen in der Volksschule gewesen. Er war eigentlich ein lieber Bursch, und perplex entschuldigte er sich sofort: „Ich hab halt ’dacht, du bist so a g’schissene Weanerin“. Schlagartig war meine Freude am ersten eigenen Auto dahin, denn ich realisierte: ich war gebrandmarkt. Ich fuhr mit Wiener Kennzeichen! In gewissen Gegenden fernab des urbanen Raums gilt ein W-… als Einladung, dem Fahrer das Leben möglichst schwer zu machen. Was ich erst neulich wieder erlebte und beinah nicht überlebt hätte, als ich eines Abends bei Nässe und Glätte nach Horn fuhr, um vorzulesen. HO-…“ler fuhren mir handbreit auf, lichthupten und schnitten mich bei hochriskanten Überholmanövern. Seither überlege ich, mein Auto in den niederösterreichischen Landesfarben blau-gelb umzulackieren oder eine Plakette anzubringen: „Dieses Auto lenkt eine G’scherte“. Allerdings: Was mach ich dann, wenn ich in der Stadt unterwegs bin?

vea.kaiser@kurier.at

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