Endlich ein Meer: Vergissmeinnicht

Endlich ein Meer: Vergissmeinnicht
Der aufkeimende Tourismus führte Daria in ein Zauberland, Österreichs hohen Norden.
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Am Donnerstag war es soweit. Daria und ich landeten am blauen Meer. An keinem Salzwassermeer, sondern an einem Meer aus abertausenden Vergissmeinnichtblüten.

Es war nach dem Regen. Die Sonne brach durch die Wolken, Daria trank die Regentropfen von den Blättern, ich inhalierte die frisch gewaschene Waldluft.

Wir waren glücklich, vermutlich die glücklichsten Touristinnen weit und breit. Der aufkeimende Tourismus hatte uns hierher verschlagen, genauer gesagt: der Impftourismus. Ich wurde geimpft, und Daria kam als Touristin mit. Im Zuge von Niederösterreich impft hatte ich einen Termin im schönen Waidhofen/Thaya.

Seit Jahren weiß ich, dass dort oben, im äußersten Norden von Österreich, eine Zauberwelt liegt. Dennoch kam ich nie auf die Idee, vom Industrieviertel, in dem ich wohne, ins Waldviertel auf eine Gassi-Wanderrunde zu fahren. Ein Fehler, wie sich zeigte. Daria und ich waren den ganzen Tag unterwegs. Wir wanderten fast zehn Kilometer, bei Waidhofen, Allentsteig und bei Rastenberg. Wir sahen die Stifte von Geras, Göttweig, Herzogenburg, in denen ich schon unvergessliche Interviews geführt, Schweigeseminare besucht und Karpfen gefüttert habe. Es war ein Tag der schönen Erinnerungen und der Vergissmeinnichtmomente.

Momente sammeln

Hungrig vom Wandern und satt von all den Eindrücken kamen wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit heim ins Industrieviertel. Ich sagte zu Daria: „Hier ist es auch schön. Aber falls ich dich eines Tages nicht mehr habe, hol’ ich mir diesen Vergissmeinnichttag in Gedanken zurück.“ Daria sagte nichts. Sie schnarchte schon.

Am nächsten Tag erreichte uns das sehr berührende eMail einer Leserin:

Ich verfolge seit Jahren Ihre Daria-Kolumne und musste immer schmunzeln, da wir uns wieder fanden mit unserem Beagle „Nico“. Leider mussten wir ihn vor drei Wochen einschläfern lassen. Es zerriss uns das Herz. Plötzlich war/ist so eine Leere im Haus. Mir kommen immer noch die Tränen. Ich wünsche Ihnen alles Gute mit Daria und danke für Ihre Erlebnisse, die ich weiter eifrig lesen werde.

Da wusste ich: Egal, wie lang Abschied und Trauer dauern mögen, am Ende sind es die Vergissmeinnichtmomente, die bleiben und die uns für immer verbinden. Die werden wir sammeln.

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