Auf Augenhöhe
Frau Daria sitzt Modell. Da ja in der Welt der Body Positivity immer mehr Mannequins im besten Alter gesucht werden, war es eine Frage der Zeit, wann die rüstige 70-plus-Hundelady (70 in Hundejahren!) mit einer diesbezüglichen Anfrage geadelt werde.
Unlängst war es soweit. Die Künstlerin Isolde Tomann suchte für ihr Doppelporträt-Projekt „WAU!“ Charakterhunde und deren Menschen. Auch der KURIER-Hund und dessen Schreibkraft passten ins Beuteschema der Malerin, und so schrieb sie uns an. Daria war sofort einverstanden. Ich hatte Zweifel, wie denn die Hündin mit dem Pfeffer im Hintern länger als drei Sekunden sitzen solle.
Und ich glaubte, die Idee zu kennen. Es ist ein ja ein populärer Ansatz in der Kunst, die Ähnlichkeit in Mensch-Hund-Beziehungen herauszuarbeiten. Immer wieder sehe ich Porträtreihen, die das abbilden. Und so sah ich auch mich schon mit Schlappohren bei der WAU!-Vernissage ins (un-)rechte Licht gerückt.
„Wie sieht mich mein Hund?“
Aber Daria lag, wie so oft, mit ihrem ersten Impuls richtig – und ich mit meiner endlosen Gedankenkette falsch. Die Künstlerin hatte gar nicht vor, uns regungslos für Stunden auf ein Stockerl zu setzen. Die Frau ist Realistin. Ihr Plan war nur, uns zu fotografieren, und später mithilfe der Fotos die Porträts zu malen. Ihr Sohn hat einen Beagle, und sie weiß, wie lang so ein Hund „Sitz!“ macht, bevor er auf bessere Ideen kommt.
Apropos bessere Ideen: Es ging ihr auch nicht um Ähnlichkeiten, also darum, mir Schlappohren zu malen. Es ging ihr um die Beziehung zwischen Daria und mir, um den Kontakt. Dafür warf sich die Künstlerin an unserem Treffpunkt gleich einmal in die Wiese, um mein Gesicht aus Darias Blickwinkel zu fotografieren. Dann stand sie auf, um Darias Gesicht aus meiner Augenhöhe festzuhalten. Ich war fasziniert. Die Frage: „Wie sieht mich mein Hund von dort unten?“ hatte ich mir bisher nie gestellt.
Auch Daria war fasziniert. Denn sie hörte, dass der Ansatz „auf Augenhöhe“ auch bei der Vernissage im Juni beibehalten werden soll und es daher ein Buffet auf Menschen- und eines auf Hundehöhe geben werde. Wir trainieren jetzt die noble Zurückhaltung. Sonst ist klar, dass außer Daria kein Hund auch nur ein einziges Buffet-Häppchen bekommt.
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