An der langen Leine

An der langen Leine
Ein verschenkter Tag wird zum Geschenk und Daria zur Trainerin für Stressabbau
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Der KURIER-Hund fährt auf Dienstreise. Zwei Tage Seminar in einem Hundehotel. Ich packe, telefoniere, organisiere. Es geht los. Darias Lieblingsmann mustert unsere Riesenreisetasche, dann mich: „Bist du sicher, dass Ihr wiederkommen werdet?“ Er fragt, als hätte er meine geheimen Auswanderungspläne entlarvt. Ich kippe umgehend in den Rechtfertigungsmodus: „Die eine Hälfte ist Darias Zeug, lange und kurze Leinen, Reservehalsband und Brustgeschirr, Trocken- und Nassfutter, Schüsseln und Trinkflasche, Bettchen, Polster, Regenmantel, Kekse … Die andere Hälfte ist mein mobiles Büro, oder glaubst du, ich fahre auf Entspannung?“ Der Mann lächelt und schweigt. Als ahnte er etwas, das ich nicht weiß.

Nach zweieinhalb Stunden Fahrzeit kommen Daria und ich an. Gerade noch rechtzeitig. Ich renne zur Rezeption und rufe von Weitem: „Wir kommen zum Hundeseminar!“ Die freundliche Dame erwidert: „Sie haben Zeit, es beginnt morgen Abend.“ Habe ich mich verhört? Nein. Mein Kopf tobt: „Wozu der Stress? Ein verschenkter Tag!“ Mein Herz lacht: „24 Stunden frei? Ein geschenkter Tag!“

Ein Tag Hundeleben auf Probe

Der vermeintliche Kommunikationsfehler erweist sich als goldrichtig. Die kurze Stadtleine darf endlich am Garderobenhaken baumeln. Die brauchen wir hier nicht. Ich packe die lange Leine aus, und Daria und ich wandern im Sonnenuntergang die Donau entlang. Soll ich den Mann anrufen und ihm gestehen, dass es nun – irrtümlich – doch mehr Entspannung als Arbeit geworden ist? Lieber nicht, den Triumph gönne ich ihm nicht.

Bis zum darauffolgenden Abend mache ich einfach all das mit, was Daria am besten kann. Wie selbstverständlich gibt sie den Rhythmus vor: Wandern, schlafen, essen. Was für ein Hundeleben! Es tut ihr gut. Es tut mir gut. Und das mobile Büro bleibt in der Reisetasche. Die meisten Hundesachen übrigens auch, denn hier im Hundehotel ist für alles gesorgt. Als das Kennenlernen des Hundetrainers näher rückt, sage ich zu Daria: „Vielleicht sollten wir dein Seminar einfach sausen lassen und weiter an der langen Leine spazieren gehen …“ Darauf sie: „Das glaube ich nicht. Du brauchst es. Das Thema ,Stressreduktion an der Leine‘ klingt doch so, als wäre es nicht mein, sondern dein Seminar.“

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