Die Wiener sind keine Schafe

Warum die Wiener für tatenloses Auf-Plätze-Starren nicht zu haben sind und wie sich Architekten damit schwer tun
Barbara Beer

Barbara Beer

Im Ringturm ist derzeit eine Ausstellung über Boris Podrecca zu sehen. Der in Wien lebende Belgrader Architekt ist bekannt für seine Plätze. Mit Vorliebe leere Plätze.

Ein Thema, mit dem Wien ein Problem hat. Freie Flächen, die zu nichts als zum Herumsitzen und In-die-Luft-Schauen genutzt werden? Vergessen Sie’s. Der Wiener hält keinen leeren Platz aus. Er braucht ein Standl. Bankerln zum Taubenfüttern. Zum Kunst-im-Öffentlichen-Raum-Bewundern. Oder wenigstens ein Blumenkistl.

Wir haben hier weder die Tradition noch das Wetter für tatenloses Auf-Plätzen-Sitzen.

Im malerischen slowenischen Dorf Piran hat Podrecca genau so einen Platz gestaltet. Der wunderschöne Tartiniplatz ist ausschließlich dazu da, um angestarrt zu werden. Zugegeben, das ganze Dorf ist pittoresk und dass immer die Sonne scheint und das Meer daneben liegt, schadet auch nicht sehr.

Ein wenig anders liegt die Sache beim Praterstern. Ja, auch den hat Podrecca – jetzt wollte ich schon schreiben: zu verantworten – aber nein, das kann man ihm wirklich nicht umhängen. Jahrzehnte hat man hier eher zufällig um den armen Admiral Tegetthoff herumgeplant. Als dann Podrecca am Zug war, durfte er auch nicht ganz, wie er wollte. Das Ergebnis war durchwachsen. Ob das denn so nackt bleibe oder ob doch etwas Grün geplant sei, wurde der Architekt damals gefragt. Er reagierte mit Unverständnis: „Grün? Die Wiener sind doch keine Schafe!“

Nehmen wird zur Kenntnis: Die Wiener sind keine Schafe und Wien hat keine g’scheiten Plätze. Was Wien dafür hat: eine beeindruckende Unterwelt. Daran könnten wir uns zum Beispiel kommenden Dienstag erinnern. Da wird es 70 Jahre her sein, dass Carol Reeds Film „Der dritte Mann“ Österreich-Premiere feierte. Könnte sein, dass sich das Redaktionskomitee der Wiener Ansichten in Schale wirft, also sein Harry-Lime-Leiberl überstreift und – nein, nicht in den Kanal, aber vielleicht die paar Stufen ins Burg-Kino hinabsteigt, wo der Film jeden Dienstag zu sehen ist, Jubiläum hin oder her.

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