Der Fußball-Computer schlägt Alarm

Rollt der rot-weiße-rote Fußball in eine rosige Zukunft? Oder doch nicht?
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Erstmals sind Österreicher, zumal Inter Mailand Valentino Lazaro holte, in Europas vier wichtigsten Ligen zeitgleich vertreten. Erstmals ist Salzburg fix für die Champions League qualifiziert. Erstmals zählt eine ÖFB-U-21-Auswahl zu Europas Top Ten. Rollt der rot-weiße-rote Fußball in eine rosige Zukunft?

Auf die Euphoriebremse steigt just der Betreuerstab der erfolgreichsten ÖFB-Auswahl. Gemeint ist die U 18, die unter Rupert Marko (1988 Dreifachschütze beim 4:0-Auswärtssieg gegen Ungarn) 15 der letzten 25 Länderspiele (u. a. 1:0 gegen Deutschland) gewonnnen hat.

Der Fußball-Computer schlägt Alarm

Das ÖFB-Trio Dritan Baholli, U-18-Chef Rupert Marko und Mario Haas.

Diagnose: Die Erfolge waren enormem Einsatz, taktischer Disziplin, nicht aber individueller Klasse zu verdanken. Prognose: Mit fortschreitendem Alter werde selbst gegen Mittelständler international die Ernüchterung erfolgen.

Leistungsdiagnostiker Dritan Baholli, der im Gegensatz zu seinem Entdecker und ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel nicht zu diplomatischer Zurückhaltung neigt, sieht akute Defizite bei Akademien und klammert seinen Ex-Dienstgeber Rapid (bei dem er zu Champions-League-Zeiten Assistent von Josef Hickersberger und 2011 bis 2013 unter Schöttel war) von der Kritik nicht aus.

Österreich wurde zum Fußball-Land der Innenverteidiger. Das sei ebenso wenig Zufall wie die Tatsache, dass im Nachwuchs kein Torjäger, kein Nachfolger für den soeben in die Fußballrente gegangenen Marc Janko mit freiem Auge zu sehen sei. Eine Meinung, die inoffiziell (weil zurzeit noch EM-Quali-Gegner) Israels Teamchef Andreas Herzog teilt.

Laut dem Universitätslehrbeauftragten Baholli sei die Trainingssteuerung falsch,

... werden immer die gleichen Spielertypen produziert,

... werden Ausnahmetalente von dem oft auf Achse befindlichen Marko eher bei kleinen Klubs (wie jüngst in Kuchl) als in den Akademien entdeckt,

... wird immer noch konträr zur Schweiz und Italien (bis zu sieben Leistungsdiagnostiker für ein einziges Jugendteam) aus Sparsamkeit viel zuwenig das Individualtraining forciert,

... werden nur noch extrem schnelle Fußballer gefragt sein.

Weil Zahlen mehr überzeugen als 1000 Worte und das Duo Marko/Baholli Einblick in die geheime Datenbank von Lazio Rom und Basel bekam, wird man 80 Akademie-Trainer bei einem Seminar in Saalfelden mit dem Trend hin zum Turbofußball konfrontieren.

2005 wurden in der Champions-League-Gruppenphase 2 bis 3 Prozent der Laufleistung im Sprintbereich erbracht. Inzwischen stieg die High-Speed-Frequenz selbst bei 18-Jährigen schon auf 8 bis 10 Prozent. Noch rennen im Computer-Vergleich die österreichischen Offensivspieler auch Schweizern, Dänen, Rumänen, selbst Georgiern dramatisch hinterher.wolfgang.winheim

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