Der Eleganz ein Haxl stellen

Ramsch kann durchaus seine guten Seiten haben. Ist alles eine Frage der Perspektive
Barbara Beer

Barbara Beer

Ein an dieser Stelle oft bejammertes Übel wurde nun auch von Wiens oberstem Tourismus-Vermarkter beklagt: Norbert Kettner stellte fest, dass es zu viele Geschäfte in der Wiener Innenstadt gibt, die Touristen-Ramsch verscherbeln – über die sich mitunter just jene Hausbesitzer beschweren, die von eben diesen Ramschläden nicht wenig Miete kassieren.

Ramsch ist also eine Frage der Perspektive.

Steht der Hausbesitzer vor seinem Haus und betrachtet die Auslage, ist er strikt dagegen. Steht er in seinem Haus und betrachtet sein Konto, wird der eben noch strenge Blick auf fragwürdige Souvenirs milder. Die Eleganz von Polyester-Schals und Plastikkochlöffeln mit Sisi-, Klimt- oder Mozart-Motiv kann also, so beschwichtigt der Unternehmergeist die Geschmackspolizei, durchaus im Auge des Betrachters liegen.

Der derart verzweifelt hin- und hergerissene Ramschladen-Vermieter ist nicht der einzige Immobilienverwalter, dem die sprechende Bezeichnung Gift-Shop ein lachendes und ein weinendes Auge beschert. Auch in weitaus nobleren Einrichtungen kann es mitunter zu geschmacklichen Verwirrungen kommen. Etwa in berühmten Museen. Auch hier, dem Hort weltweiter kunsthistorischer Höhepunkte, können Geschäftssinn und Eleganz einander ein Haxl stellen. Stellen Sie sich vor, Sie kommen gerade aus einer Caravaggio-Schau. Sind überwältigt von Schönheit und Intensität der dort ausgestellten Gemälde und Skulpturen – und taumeln direkt in den Museums-Shop, praktischerweise gleich an die Sonderschau angeschlossen. Greifen Sie im Rausch der Gefühle zum Caravaggio-Frühstückstablett oder doch zu den Tattoos mit Motiven des Barock-Malers? Der Polster mit „David mit dem Haupt des Goliath“? Ein Muss!

Ein seit Jahrzehnten gehegter Schatz des stilsicheren Redaktionskomitees der Wiener Ansichten ist übrigens ein Aschenbecher mit dem Antlitz der Venus von Botticelli. Über die Müslischale mit Breughels Bauernhochzeit, derzeit im Sonderangebot, denken wir nach.

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