Chaos de luxe: Liebe Freiheit!

In äffischer Liebe für das Leben danach.

Colette, die freibeuterische Schriftstellerin, schrieb gegen Ende ihrer Tage: „Was für ein schönes Leben ich doch hatte! Ich wünschte nur, dass ich es früher bemerkt hätte.“ Wie schal scheinen doch gegen solche Preziosen diese Glück-trotz-Krise-Vorturner auf Instagram mit ihren #soblessed-Zierleisten und selbstherrlichen Wie-man-jetzt-leben-soll-Ezzes. Ich hänge mir Colettes Satz wie eine kostbare Kette ums Gemüt. Im letzten Geschenk meiner so vermissten Freundin Marga, einem Doisneau-Fotobuch, sind Bilder des befreiten Paris nach der Nazi-Besatzung zu sehen. Wie die Menschen da einander in einem Rausch der Erleichterung in die Arme fallen und mit glückseliger Andacht jene Dinge tun, die ihnen früher eine Selbstverständlichkeit gewesen waren.

Ich möchte mich endlich wieder mit dem Fortpflanz schreiduellieren, bis wir uns krumm lachen. Und allen Oberkellnern der Welt zurufen: „Einer geht noch!”

Im C-Exil schreibe ich Briefe an die Freiheit, so wie ich als Kind Wunschlisten an das Christkind verfasste: Liebe Freiheit! Ich möchte wieder in einem menschenbrummenden Café Engländer Beef Tartar essen. Dort unvernünftig lang Schmäh-Pingpong mit meinen Freunden führen. Die Garderobe des Rabenhoftheaters riechen und mich dort in mein Nymphen-Kostüm zwängen. Mach bitte auch, dass es nach Quarantänien nicht zu eng ist! Ich möchte von meiner Mutter gesagt bekommen, dass mein Blick wesentlich frischer sein könnte. Und ihr dann kontern, dass das nicht geht, weil ich einen Schlupflider-Abend in Planung habe. Ich wünsche mir den ersten Morgen-Schwumm in der Alten Donau. Und die ersten Künstlerbedürftigkeiten im geliebten „Schwimmenden Salon“. Ich möchte mich endlich wieder mit dem Fortpflanz schreiduellieren, bis wir uns krumm lachen. Und allen Oberkellnern der Welt zurufen: „Einer geht noch!“ Im Gegenzug, doppeltes Indianerinnen-Ehrenwort, werde ich nur ganz allein spazieren gehen, indisch grüßen und meine Selbstgespräche („Wie geht's denn so?“ – „Frag mich besser nicht!“) im erträglichen Rahmen halten. Liebe Freiheit! Lass das Leben bald wieder mehr Paris als Amstetten sein. In äffischer Liebe Deine Polly.

polly.adler@kurier.at

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