Chaos de Luxe: Wieder in Heidistan

Hilfe, Heidi! Darf Diversity ein Trend-Phänomen sein?
Polly Adler

Polly Adler

Ich werde gezwungen, mir „Germany’s Next Topmodel“ anzusehen. Meine neue WG-Kameradin (eine ausgewachsene Frau) findet, dass das Treiben in Heidistan emotional aufwühlend und entspannend zugleich ist. Die Macht ist also nicht mehr mit mir.

Nachdem mein Fortpflanz mit circa 16 aus seiner Trash-TV-Phase entwachsen ist und sich intellektuell anspruchsvolleren Produktionen wie „Gossip Girl“ zugewandt hat, hatte sich meine Dosis Heidi auf kurze Blicke in ihren von fröhlichem Exhibitionismus geprägten Insta-Account beschränkt, der dieses Autounfall-Gefühl in mir evozierte: Man will eigentlich nicht hin-, kann aber auch nicht wegschauen. Tatsächlich werden in dieser Sendung auch ein Jahrzehnt später noch immer wunderschöne, autoritätsgläubige Mädchen mit subtil sadistischen Methoden am Rotieren gehalten, wobei die schwarze Jus-Studentin und die syrische Flüchtlingselfe IQ-mäßig den Rest der Gang um Baumlängen überragen.

Da purzeln Phrasen wie „Du, dein Walk war jetzt voll edgy ... fand ich mega!“ Unsere Heidi ist auch der volle Diversity-Streber, denn auch ein Transgender-Model und eine Bodypositivity-Blondine, die sie früher wegen ihrer Üppigkeit nicht einmal ins Vorzimmer gelassen hätte, dürfen beim Traumjob-Hecheln mit dabei sein. „So super, dass wir ein curvy girl haben“, quietscht Heidi, die ihr Springmaus-Organ keine Terz tiefer gekriegt hat, „und so voll die Courage, dass Alex ihre/seine Geschichte erzählt“. Ich bespreche all das mit dem Fortpflanz, der seufzt: „Mama, das ist das White-Guilt-Syndrom.

Im Netz regen sich diverse Minderheiten schon auf, dass sie nicht als Modetrend fetischisiert werden wollen. TTH – verstehst?“ Nicht gleich, dann erfahre ich: Es ist das Kürzel für „trying too hard“, was möglicherweise mit unauthentischer Bemühtheit zu interpretieren ist. Wir sind dann doch der Meinung, dass Toleranz und Offenheit, auch wenn man die trendy Absicht dahinter wittert, Modezüge sind, auf die wir mega-gerne aufspringen.

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