Chaos de Luxe: Mein Herz, das Trümmerfeld

Schluchzbeben nach dem Exodus des Fortpflanzes.
Polly Adler

Polly Adler

Der Fortpflanz ist eben abgereist. Mein Herz ein rauchendes Trümmerfeld. Ich habe bei schmerzhafteren Einschnitten kaum oder nur mäßig geheult – nicht am Maturatag, nicht bei ihrem Aufbruch zu einer mehrmonatigen Weltreise in Gebiete, wo Bandenkriege zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten gehören, nicht bei ihrem Umzug nach Berlin. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen ist, erzittere ich in einem einer Puccini-Oper würdigem Schluchzbeben. Ich streichle über die leere Familienpackung von Antigen-Schnelltests am Boden ihres Zimmers, die sie in der vergangenen Woche verblasen hat. Mit wem werde ich jetzt alte Hugh-Grant-Filme an Beinschinken mit scharfer Krensauce verschlingen? Wer wird meine Kreditkarte für eigenartige Dinge wie hellblaue Plüschpelzmäntel zum Glühen bringen? Mit wem werde ich mich durch die Instagram-Accounts diverser Hollywood-Schlingpflanzen schief lachen? Inklusive der so absurden wie häufigen Bylines diverser Mirror-Selfies: Felt cute, might delete later (Fühlte mich gerade niedlich, werde es aber wahrscheinlich löschen). Oida! Wer wird mich mit Gossip füttern, wie dass der Anbau von Roséweinen unter in die Jahre gekommenen Stars (Diaz, Minogue) neuerdings in die Kategorie Fünfsterne-Selbstverwirklichung fällt? Wer wird meine Kaschmirpullis achtlos in einem Kleidergebirge verschwinden lassen? Und der schlimmste Verlust: Wer wird mich jetzt wie ein geistig nicht ganz ausgeschlafenes Kleinkind behandeln und mir erklären, dass acht Netflix-Folgen hintereinander nicht gut für meine Augen sind, der Schlaf vor Mitternacht in meinem Alter selbstheilende Kräfte entwickelt und es nicht opportun ist, ohne Mütze bei vier Grad außer Haus zu gehen? Jetzt muss ich wieder meinen Aszendenten Checkerin bemühen und muss in die f**** Eigenverantwortung gehen. So viele Antikörper gibt es gar nicht, um all das zu verkraften.

www.pollyadler.at
polly.adler@kurier.at

Kommentare