Chaos de Luxe: Der Hansi-Effekt
Sie sah aus wie nach einem Katastropheneinsatz. „Wo hast du Schutt geräumt?“, frage ich F. Ihre Hände zitterten. „Du glaubst es nicht: Papa will sich scheiden lassen.“
Das war ein Paukenschlag: Denn ihr Vater, bald keine 93 mehr, lebte mit der Mutter, zerbrechliche 88, in einer Seniorenresidenz. „Hat er sich in die Physiotherapeutin verschaut?“ Sowas hört man ja immer wieder. Mein kürzestes Telefoninterview hatte ich mit dem Dramatiker Arthur Miller geführt, der sich, gerade frisch verwitwet, mit der Physiotherapeutin seiner verstorbenen Frau, im Abflug in die Karibik befand. Einen eisigeren Wind der Interesselosigkeit an meinen Fragen musste ich nie wieder erleben.
Sie schüttelte den Kopf: „Er hat beim Räumen der alten Wohnung eine Kiste mit heißen Liebeskorrespondenzen gefunden – zwischen der Mamschi und einem Hans.“ – „Will Mamschi mit Hansi etwa durchbrennen?“ – „Das wird schwierig. Hansi ist inzwischen mausetot. Die Briefe stammen aus dem Jahr 1977. Aber den Alten regt das trotzdem so auf, dass sein Blutdruck durchdreht. So sei keine Vertrauensbasis mehr gegeben, brüllt er.“ – „Und die Mutter?“ – „Überschaubar diplomatisch. Sie sagt, dass ihr Hansi 1977 erstmals in ihrem Leben einen Orgasmus beschert hatte. Dabei war sie damals schon acht Jahre mit meinem Vater verheiratet.“
Nicht nur die Gates trennten sich nach Jahrzehnten, auch etwas ärmere Menschen ziehen neuerdings in der mittleren Überreife die eheliche Reißleine. „Silver divorces“ nennen die Briten das Phänomen, das oft durch den pensionsbedingten Gemeinsamkeitsschock getriggert wird. „Und weißt du, was das Allerärgste ist?“ – „Nu?“ – „Mein Vater ist immer fremd gegangen. Und meine Mutter hat dann einfach nur laut schweigend weggeschaut.“ Als F ihrem Vater seinen situationselastischen Monogamiebegriff in Erinnerung rufen wollte, antwortete der: „Ich bin bitte ein Mann. Das ist was ganz anderes.“
Die Polly-Truppe tourt wieder: „Nymphen in Not“ am 30. Mai im Wiener Rabenhof.
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