Chaos de Luxe: „Du wirst dich noch verkühlen”

Herzerwärmende Begegnung mit einem entzückenden Paar - fröhliche Mitte achtzig - auf der Parkbank.
Polly Adler

Polly Adler

Neulich bei der Bushaltestelle. Dicht umarmt saß ein Paar auf der Bank. Er wickelte seinen Schal um ihren Hals und versetzte ihr danach einen Nasenstüber, als wollte er sagen: „Wie oft noch: Zieh’ dich wärmer an. Du wirst dich noch verkühlen.“ – „Hermann“, sagte sie und man sah in ihrem Gesicht das Mädchen, das sie einmal gewesen war, „falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte: Ich bin nicht mehr fünf“.

Ich schätzte beide auf fröhliche Mitte achtzig. Als beide vergeblich nach einem Taschentuch kramten, reichte ich ihnen eines. Wir kamen ins Gespräch. Ein nahezu rührender Konversationshunger macht sich ja inzwischen in uns allen breit. Ich probiere schon selbst gebackene Witze an unschuldigen Paketboten aus. Ich liebe es, wenn alte Menschen nach Jahrzehnten des Miteinanders füreinander Zärtlichkeit mobilisieren können. Ich fragte die beiden, wie lange er ihr schon den Schal hinterhertrage und rechnete mit ein paar Jahrzehnten. „Wir sind erst seit drei Wochen fix“, sagte Fürsorge-Hermann fast ein bisschen verschämt.

„Ich weiß eigentlich nicht, warum ich mir diesen Beziehungs-Palawatsch noch einmal antu“, kicherte sie, „aber er macht so fantastische Palatschinken“. – „Und ich, ich brauche jemanden, der mit mir nach Guatemala fährt. Ich war nämlich noch nie in Guatemala.“ – „Mir würde eigentlich der Wolfgangsee reichen“, rempelte sie ihn jetzt in die Seite, „aber fahren wir halt. Ist ja eh wurscht: Der Tod findet einen da wie dort“. – „Der depperte Tod. Ich wünschte, wir hätten uns viel früher getroffen.“ Jetzt heftiges Geschnäbel. Die beiden wirkten durchaus so, als ob sie sich bereits kurz nach dem Betreten des Vorzimmers die Kleider vom Leib reißen könnten. Wie großartig in dieser Altersgruppe.

Doch eine Frage hatte ich noch: „Wo habt ihr euch kennengelernt?“ – „Ich kenn ihn vom Wegschauen“, sagte sie stolz. Er: „Sie hat mich im Kaffeehaus so militant ignoriert, dass ich mir dachte: Bei der Schönheit kann ich landen.“

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