Barbara Kaufmann: Die Verweigerung

Es gibt aktuell so vieles, bei dem sich Verweigerung lohnen würde.
Barbara Kaufmann

Barbara Kaufmann

Der Computer lässt sich nicht starten. Es ist ihm zu heiß, sagt der Mann vom Reparaturdienst vorwurfsvoll, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass auch Computer ihre Grenzen haben, die es zu achten und zu respektieren gilt. Trotzdem ist es irritierend, wenn Maschinen sich verweigern. Wenn sie nicht auf Knopfdruck funktionieren, wenn sie einfach streiken.

Denn unweigerlich fragt man sich, während man so hilflos vor ihnen sitzt, ob man die Maschine nicht doch ein wenig beneidet und wann man sich eigentlich selbst das letzte Mal verweigert hat. Verweigerung bedeutet ja nicht Ignoranz, nicht Teilnahmslosigkeit, nicht Nichtstun. Verweigerung ist ein aktives sich zur Wehr setzen, es bedeutet laut oder leise zu sagen: nein, nicht mit mir. Ich will nicht, ich mache da nicht mit! Ich mache es anders. Oder: ich mache gar nichts.

Dabei gibt es aktuell vieles, bei dem sich Verweigerung lohnen würde. Man könnte sich dem Zynismus unserer Zeit verweigern, der die Tatenlosigkeit glorifiziert und Sensibilität, Mitgefühl, Solidarität verächtlich macht. Man könnte sich dem Schönheitsdiktat verweigern, indem man den eigenen Körper nicht mehr hasst, umformen und verstecken will, sondern ihn viel öfter dafür schätzt, dass er einen durchs Leben trägt, Tag für Tag. Man könnte sich der Angst vor dem Anderen verweigern, die sorgfältig und unaufhörlich in unsere Herzen und Köpfe gepflanzt wird, um das Miteinander zu verunmöglichen. Man könnte den Rowdys die Aufmerksamkeit für ihr Pöbeln verweigern und sie stattdessen jenen zukommen lassen, die ungleich leiser und konsequenter daran arbeiten, dass unser Alltag besser wird. Den Kindergärtnerinnen, den Krankenpflegerinnen, den Lehrerinnen.

Respekt zollen

Man könnte sich den Provokateuren verweigern und stattdessen jenen Respekt zollen, die sich den Mühen des Dialogs unterziehen, des Aushandelns von Beschlüssen, des Kämpfens gegen die Ignoranz.

Man könnte sich den Scheindebatten darüber verweigern, wie viel man zum materiellen Überleben braucht, 150 Euro oder doch mehr. Debatten, die keine sind, die nur ablenken von den wirklich existentiellen Themen. Debatten, für die es keine launigen Kommentare und investigativen Reportagen braucht, sondern nur Menschenverstand, um zu wissen, das kann sich niemals ausgehen. Das hat Elend und Armut zur Folge und Elend und Armut, das hat uns die Geschichte gezeigt, kann sich keine Gesellschaft leisten, die nicht auseinanderbrechen will.

Man könnte sich der Eitelkeit verweigern, recht haben zu wollen und stattdessen Betroffenen zuhören, ohne gewinnen zu wollen und ohne die Angst, dabei etwas zu verlieren.

Man kann sich dem verweigern, was uns angeblich trennt, sich nicht mehr aufhetzen lassen gegeneinander, sich zusammensetzen und aktiv Pläne dafür machen, wie wir in Zukunft gemeinsam leben wollen. Anstatt ständig auf jene zu reagieren, die dieses Gemeinsame zerstören wollen und die Zerstörkraft ihrer Worte damit noch zu stärken. Vielleicht haben wir das Verweigern verlernt, weil wir zu viel Zustimmung dafür bekommen, mitzulaufen, mitzumachen, mitzustimmen. Vielleicht wagen wir es nicht mehr, widerständig zu handeln. Es ist an der Zeit, wieder damit anzufangen.

barbara.kaufmann@kurier.at

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