Austern gegen elf Uhr vormittags

Über die historisch dokumentierte Gefräßigkeit der Wiener
Barbara Beer

Barbara Beer

Der Wille zur Pointe kann sachliche Unschärfen mit sich bringen. Und so hat die Kolumne mit dem kindischen Titel „Fräulein Rottenmeier und die Keksi“ Leser-Reaktionen ausgelöst.

Zwar freute sich Beate K. über die Erwähnung des Raimundhofs – bitte, gerne. Hinterhöfe und Durchhäuser gehören zu den schönsten Orten dieser Stadt. Erika K. hingegen ärgerte sich über die abschätzige Bezeichnung Kinkerlitzchen für die dieser Tage in Wiens Konditoreien immer häufiger anzutreffenden Macarons. (Eduard Fruth in der Kettenbrückengasse macht übrigens himmlische).

Einerseits wirkt schon der Ausdruck Kinkerlitzchen rückblickend daneben. So daneben allerdings auch wieder nicht, stammt das Wort doch, ebenso wie die derart geschmähten Doppelkekse, aus Frankreich.

Außerdem stößt sich Frau Erika, und da hat sie nun wirklich recht, am Wort modisch. Denn das Baisergebäck scheine bereits in „Wiener Kochbüchern des 18. und 19. Jahrhunderts als besondere Köstlichkeit “auf.

Dieser Hinweis machte neugierig. Recherchen führten zur Wiener-Küchen-Enzyklopädie „Heut’ muss der Tisch sich völlig bieg’n“ (mandelbaum verlag). Darin macht ein Wien-Reisender aus dem 18. Jahrhundert aufmerksam, dass „Schleckerey (sic!) und Gefräßigkeit“ in Wien sehr weit gehe, der „wohlhabende Bürger isset beinahe den ganzen Tag.“ Am liebsten Rindsuppe, Maria Theresia genoss sie sogar zur Jause. Die Mehlspeisen, mit denen die Wiener Küche heute verbunden wird, stammen von den rigorosen Fastengeboten der katholischen Kirche, selbstverständlich gehört auch die Einbrenn hier dazu. Auch ein Speisezettel für das von den Franzosen übernommene Gabelfrühstück („Déjeuner à la Fourchette“) findet sich in dem Buch: Klare Suppe, Austern, Bratwürste und Backwerk genoss der gut betuchte Wiener 1865 gegen elf Uhr Vormittags.

Ob man öfter Macarons als Grammelpogatscherln servierte, lässt sich an dieser Stelle nicht feststellen. Doch halt: Nie mehr sollen Backwaren zugunsten eitler Pointen gegeneinander ausgespielt werden!barbara.mader

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