Als die Leichtathletik noch in aller Munde war

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Bei der WM 2019 erlebt die Elementarsportart in Österreich einen Aufschwung. Vor 50 Jahren gab's Medaillen und Weltrekorde.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

„Großartig, dieses Madl.“ Als Verena Preiner in Doha WM-Bronze überreicht wurde, überkam einen TV-Zuschauer, den einst so gefürchteten Trainer Gunnar Prokop, auch Wehmut. Denn auf den Tag genau sind’s am Samstag 50 Jahre, seit seine Liese im Fünfkampf Weltrekord erzielte, nachdem sie zuvor in Athen EM-Gold erobert hatte. Und ihre Schwester Maria Sykora über 400 Meter auf Platz drei gerannt war.

Dank Liese Prokop und Maria Sykora, dank Hochspringerin Ilona Gusenbauer, dank Speerwerferin Eva Janko (später Mutter von Fußball-Torjäger Marc Janko) war die Leichtathletik in aller Munde. Deshalb strömten an einem windigen Oktoberwochenende 4.000 Leute in die Südstadt – mehr als zu gleicher Zeit zu Spielen im Fußball-Oberhaus, in dem Austria und Rapid nur die Plätze acht und zehn zierten.

Als die Leichtathletik noch in aller Munde war

Liese Prokop nach ihrem Weltrekord im Fünfkampf

Selbst die TV-Konkurrenz durch die Formel 1 und deren WM-Führenden Jochen Rindt hielt Organisator Prokop nicht von der Ansetzung des Meetings an. Selbst Reporter-Lehrbuben teilte Prokop zum Gelingen des Rekordes ein. Indem er uns Besen in die Hand drückte, mit denen wir den Anlauf zum Weitsprung vom Sand zu befreien hatten. Die Kehrerei lohnte sich. Liese sprang 6,62 Meter. Eine Weite, die damals im Regelwerk für die Punktevergabe (endete bei 6,49) noch gar nicht vorgesehen war, die 29 Jahre lang Ö-Rekord bedeuten sollte und die soeben in Doha immer noch zweitbeste Leistung im Mehrkampf bedeutet hätte.

Vergleiche zwischen einst und heute sind freilich nicht ganz fair. Schließlich besteht der Damen-Mehrkampf längst nicht mehr aus fünf, sondern (durch Speerwurf und 800 m ergänzt) aus sieben Disziplinen. Zudem wäre der 800-Meter-Lauf eher für Maria Sykora (Hallen-Europameisterin 1970) als für deren große Schwester prädestiniert gewesen. Obwohl: Auch Liese verfügte über enorme Steherqualitäten. Auch beim Feiern.

Während der Schreiber dieser Zeilen als Jungspund, gezeichnet von der langen Nacht nach dem Weltrekord, mit Brummschädel zum Dienst erschien, hielt Prokop ihre erste Wahlrede , ehe sie Stunden später bei einem Vereinsmeeting mit der Staffel 4x400m-Rekord lief und die Kugel auf (jahrelang von keiner Österreicherin übertroffene) Weiten stieß. Eine ruhige Kugel hat Liese Prokop auch danach nie geschoben. Die spätere Innenministerin wurde 65 Jahre alt.

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