Abstand vom Abstand

Eigenverantwortung hat einen Haken: Sie beruht auf Freiwilligkeit.
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Jetzt also Eigenverantwortung. Das ist ja für viele ein Fremdwort. Denn Eigenverantwortung beruht auf Freiwilligkeit. Und freiwillig begeht der Mensch jede Dummheit, aber kaum eine vernünftige Tat.

Ein Infektiologe aus der Taskforce der Regierung warnt: „Viele vernachlässigen komplett die Abstandsregeln.“ Die Infektionszahlen steigen.

Jahrelang wurde die sogenannte Verbotsgesellschaft kritisiert, in der gouvernantenhafte Politiker die Bürger entmündigen würden. Doch kaum wird ein Mündigkeitsexperiment gestartet („Halten Sie freiwillig einen Meter Abstand!“) ist der mündige Bürger überfordert und nimmt Abstand vom Sicherheitsabstand. An der Supermarktkassa spürt man wieder den Atem des Hintermanns im Nacken, in geschlossenen Räumen wird versammelt und gefeiert, als hätte es kein Gestern und Vorgestern gegeben.

Vielleicht sollte man es nicht Eigenverantwortung nennen, sondern Näheverzicht. Verzicht hat Potenzial, gilt als eine Art Modedroge, als Zeitgeist-Statussymbol. Da stehen dann die Freiwilligen Schlange, mit Sicherheit, und mit Abstand.

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