Köstliches Brot: Lehmofen-Wand wärmt mehr als Fladen
Faseli Esmarai und sein Namensvetter Freydun klatschen die vorbereiteten Teig-Halbknödel, die sie zuvor in der Wärme „gehen“ haben lassen, auf die bemehlte Arbeitsfläche. Mit beiden Händen pressen sie die Knödel flach und immer flacher. Die beiden Genannten und Hassani Najib „punktieren“ nun flott und unzählige Male die ausgedünnten 360 Gramm-Teigfladen. „So verhindern wir, dass das Brot Blasen wirft“, erklärt der zuletzt genannte Brotbäcker.
Lehmofen
Einzeln werden jetzt die Teigfladen auf eine Art Polster gelegt und oval gezogen. Nun kommt die Besonderheit dieser Bäckerei nahe dem Wiener Reumannplatz, wenige Gehminuten vom Amalienbad entfernt: Einer des Trios entfernt den Deckel der runden Öffnung, aus der sehr heiße Luft strömt, ein Zweiter klatscht einen der ovalen Fladen nach dem anderen an die Innenwand des Ofens. Ständig schaut mindestens einer der Bäcker in den Tandoor, manchmal auch Tandur geschrieben, wie dieser aus Indien kommende von oben zu befüllende Lehmofen heißt, der in Afghanistan genauso fast allgegenwärtig ist wie in Teilen Tadschikistans, Usbeskistans, des Irak, Irans oder Syriens. „In Afghanistan ist er aber oft im Boden, so dass man auf Knien arbeiten muss“, erzählt einer der Bäcker.
Nach ein, höchstens eineinhalb Minuten – aber nie nach der Uhr, sondern immer nach Beobachtung und Gefühl -, nehmen die Bäcker mit einem langen Metallhaken ein fertiges Brot nach dem anderen aus dem Ofen und schlichten das warme, viel mehr noch heiße Brot in ein Regal aus Metallgitter beim Fenster des kleinen Ladens.
Flach oder gefüllt
Während laufend frisches Brot – ovale Tandoor, runde Fladen oder gar mit Erdäpfel und Lauch gefüllte Bolani – zubereitet wird, ist mindestens einer der Bäcker mit dem Verkauf beschäftigt. Kaum ein Moment, in dem während des Lokalaugenscheins von KURIER und schauTV nicht Kundinnen und Kunden in die kleine Bäckerei strömen – manche, die Kameras scheuen, warten in der Nähe, bis der Medienrummel vorbei ist.
Extra Anreise
Einige aber geben auch gerne vor der Kamera Auskunft, weshalb sie – nicht nur aus der näheren Umgebung – herkommen. So etwa Frau Gulalai Suhaili, die bei der Diakonie als Übersetzerin für Dari und Pashto, die beiden großen Sprachen Afghanistans, aber auch das mit Dari stark verwandte Farsi (Persisch) arbeitet. „Ich bin schon lange Österreicherin, komme aber ursprünglich aus Afghanistan und hab einmal eine Freundin gefragt, ob sie nicht wüsste, ob es in Wien irgendwo afghanisches Brot gibt. Dann hat sie mir diese Bäckerei genannt und nun komme ich regelmäßig aus Simmering wo ich wohne, hierher und kaufe Naan, wie wir in Afghanistan zu dem Brot sagen, und Bolani.“
Aus der Umgebung
Viele der Kund_innen kommen aus der afghanischen Community. Oder aus verwandten Kulturkreisen, wo diese Art des Brots bekannt ist, wie Ali Gedik, der jahrzehntelange Jugend- und Sozialarbeiter, der als Jugendlicher aus dem kurdischen Teil der Türkei nach Vorarlberg gekommen ist. Aber anders als er später in Wien Geschäfte nach Lustenauer Senf abklapperte, ist er über das Lavash, wie er dieses Brot nennt, „gestolpert“. „Ich wohne da ums Eck und hab gleich in der ersten Woche (vor ca. zweieinhalb Monaten) diese Bäckerei entdeckt. Ich liebe Tandoor, solche Öfen kenne ich auch aus Kurdistan. Und die Leute hier sind so nett und kundenfreundlich, jetzt kauf ich täglich mein Brot hier.“
Für mich neu entdeckt
Wenige Minuten später kommt Sophie Deuer mit einem Sackerl mit flachem, gefaltetem Brot aus der Bäckerei. Die Projektmanagerin wohnt „gleich beim Reumannplatz. Vor ein paar Wochen hab ich die Bäckerei beim Vorbeigehen entdeckt. Ich hab diese Art von Brot und vor allem wie es gebacken wird, gar nicht gekannt, aber es ausprobiert. Jetzt ist das mein Standard-Weißbrot.“
„Alteingesessener“ Wiener Afghane hilft geflüchteten Landsleuten
Chef der Bäckerei ist Ibrahim Rajabi, der seit 18 Jahren in Wien lebt. „Seit elf Jahren bin ich selbstständig, ich hatte zuerst drei Schnitzelhaus-filialen, dann auch italienische Restaurants. Vor drei Jahren war ich einmal wieder in Afghanistan und habe dieses Tandoor-Brot und diese Öfen entdeckt. Als Kind kannte ich das schon, hab das aber vergessen. Und als ich dann zurück in Wien war, hab ich mir gedacht, hier auch so ein Brot zu backen. Vor einem Jahr hab ich eine Bäckerei mit einem solchen Ofen in Ottakring eröffnet und nun diese hier vor mehr als zwei Monaten. Es läuft ganz gut, wir verkaufen hier ungefähr 500 Brote am Tag. In den zwei Bäckereien beschäftige ich sechs Leute, alles Flüchtlinge.“ Ihnen will er, der schon lange seine eigene selbstständige wirtschaftliche Basis geschaffen hat, helfen, auf eigenen ökonomischen Beinen zu stehen. In Afghanistan hatte er selbst Konditor gelernt, zwei seiner Mitarbeiter „waren schon in Afghanistan Vorbäcker“.
Hassani Najib ist „zwar Afghaner, aber ich bin aus dem Iran geflüchtet. Dort war ich Dachdecker, Bäcker hab ich jetzt hier gelernt. Das Wichtigste ist, dass wir jede Sekunde aufpassen, weil das Brot sonst schnell verbrennt.“
Ausbaupläne
Ibrahim Rajabi hat bereits weitere Ausbaupläne. „Ich möchte eine kleine Fabrik aufbauen mit vier oder mehr Tandoor-Öfen, wo dann acht bis zehn Leute arbeiten können. Dort werden wir Brot machen, das wir dann an orientalische Geschäfte oder Restaurants liefern.“
Die Zutaten fürs Brot:
Biologisches weißes und dunkles Mehl
Weizenkleie
ein bisschen Germ (Hefe)
Salz und Zucker – je ein halbes Kilo auf 20 Kilo Mehl
Oriant Tandoor Brot
1110, Wielandgasse 26
1160, Neulerchenfelder Straße
Nun mit schauTV-Beitrag
gedreht von Bernd Schäffer
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