Die Schwierigkeit, demokratisch ein Quadrat zu formen

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Vielfältige Theaterformen und Performances des DiverCITYLABs bei den 68er-Tagen im Dschungel Wien.

Am Tag als auch die Jugendlichen zweier Klassen ihre Szenen, Comicfiguren und den Forschungswagen zu ihrem Projekt „Demokratie machen“ – siehe hier - präsentierten, besetzten auch die recht jungen Schauspiel-Schüler_innen verschiedener Jahrgänge des DiverCITY LABs die Räume des Dschungel Wien – bis spät in die Nacht oder viel mehr früh in den Morgen hinein. Das Theater- und Performance-Labor greift in Aufführungen und Aktionen gesellschaftspolitisch aktuelle Themen auf. DiverCity Lab begreift sich aber auch als Ausbildungsstätte für jungen Künstler_innen, die die vorhandene Vielfalt der gegenwärtigen österreichischen Gesellschaft berücksichtigt, die sich in vielen Bereichen (noch?) nicht wirklich widerspiegelt.
Nicht nur Themen, auch die Theaterformen der im Vorfeld für diese friedliche und vereinbarte „Besetzung“ erarbeiteten Performances waren recht unterschiedlich.

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Szenenfoto aus "Frutopia"

Für die Gleichberechtigung kämpfen

So orientierte sich „Frutopia“ fast an einem klassischen Stück, allerdings doch in ungewohnter Szenerie. In einem Viereck streifen nacheinander zwei Frauen Boxhandschuhe über, um gegen das unsichtbare Patriarchat anzukämpfen. Von Treffern über Rückschläge – mit den entsprechenden Jahreszahlen und Meilensteinen – nennt die Sprecherin in Manier einer Sportkommentatorin die Errungenschaften und Backslashes im Ringen um die Gleichberechtigung von Frauen. An der Seite des „Ringes“ zwei elegant gewandete Sängerinnen, die zur jeweiligen Situation passende Songs intonieren und so das Geschehen musikalisch kommentieren.

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Abdallah Shmelawi beim Versuch, eine Militärhose zu zerstören

Anti-Krieg

Den Kampf für Frieden und gegen Krieg focht einsam der irakische Theatermann Abdallah Shmelawi im Hof vor dem Dschungel Wien. Mit Hilfe eines großen, groben Steins versuchte er eine Militärhose zu zerfransen – als Symbol dafür, sowohl den Träger, den Soldaten, von seinem Zwang zum Töten als auch seine möglichen Opfer von der Last des Krieges zu befreien und Leben zu ermöglichen.

Zeit abzuhauen

Eher alles andere als zuversichtlich angesichts des gegenwärtigen Zustands der Welt, fast schon resignierend spielte eine andere Gruppe des Theaterlaboratoriums die Performance „Time to desert! Selbstmord statt Widerstand“. Schwarz gewandet, manche mit Pinguinköpfen, wandeln und tanzen die Performer_innen über die Bühne und sinnieren über die Zukunft: „Was realistisch ist, ist nicht erwünscht. Und was erwünscht ist, ist nicht realistisch.“

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Szenenfoto aus "Time to desert!" (Zeit, abzuhauen)

Quadrat

Dass Demokratie selbst in scheinbar kleinen Dingen nicht immer einfach ist, stellten wieder andere junge Schauspieler_innen in der Performance „Square“ dar: Sieben Leute auf der Bühne, jede und jeder soll sich aus einem Fundus an Sitzgelegenheiten am Rande jeweils einen Sessel nehmen. Gemeinsam, so die Anweisung von der Regie, gelte es nun, ein „perfektes Quadrat“ zu stellen. Zunächst darf nicht gesprochen werden. Aber auch die spätere Sprecherlaubnis hilft nicht viel weiter. Da tun sich erst so richtig Konflikte auf. Warum einer einen voll fetten Sessel genommen habe, wieso und warum und wie... Jede und jeder darf jeweils nur den „eigenen“ Sessel verrücken, woanders hinstellen – UND: Niemand darf anderen Anweisungen geben.

„Kann doch nicht so schwer sein?“, meinten nach den Performances im Publikumsgespräch immer wieder Besucher_innen. Und wurden eingeladen, es selbst zu versuchen. Und was so einfach scheint, braucht so seine Zeit. Denn immer wieder meinte die eine oder der andere, den eigenen Stuhl verrücken zu müssen, um zum „perfekten“ Quadrat zu kommen – und schon ist die ganze Reihe wieder aus dem Lot...

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Zu Besuch in der WG des Theaterwild:Klubs

Theaterwild:Klub: Komm rein in die WG

Mit den 68ern verbreiteten sich auch gemeinschaftliche Wohnformen jenseits der Klein- oder Kernfamilie im städtischen oder von Großfamilien im ländlichen Bereich. Als Kommunen – huch für die einen, juhu für die anderen – waren sie zwar gar nicht so weit verbreitet, aber drangen ins öffentliche Bewusstsein. Vor der großen Abschlussparty im großen Saal des Theaterhauses luden die sechs jugendlichen bis jungen Erwachsenen des „Theaterwild:Klubs“ (15 bis 25 Jahre) in ihre WG. Sie hatten für sich Rollen festgelegt von der leicht esoterischen Medusa ( Sophie Windisch) über die putzfimmelige Marie-Sofie Rosa (Ines Kaiser), die sich hysterisch und vor allem schminkwütig gebende Theresa (Leonie Berner), die Sisi-Fanin namens Sissi (Victoria Sedlacek) bis zur Literatur- und Käse-Liebhaberin Amelie (Martha Katt) und der liebend gern in der Küche Schokocreme aus dem Glas naschenden Mary (Sophia Greilhuber). Nach einer kurzen Vorstellrunde ganz ohne Dramen wurden die Besucher_innen eingeladen, sich in dieser WG aufzuhalten und einzuleben.

Zwischen Käseverkostung und Patschuli-Duftproben, ließen sich manche aufs gemeinsame Putzen ein, andere sich schminken oder beteiligten sich an der Suche nach der imaginären entlaufenen Katze Sissis und nicht zuletzt am gemeinsamen Abschlussritual im Kreis. Aus dem Off kommen danach noch Gedanken über Vereinzelung und Gemeinschaft.

www.divercitylab.at

www.dschungelwien.at

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Fotos von der DiverCITY-LAB-Nacht im Dschungel Wien

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Szenenfoto aus "FruTopia" vom DiverCity-Lab

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Szenenfoto aus "Time to desert" (Zeit, abzuhauen) von einem anderen Jahrgang der DiverCity-Lab-Akademie...

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Szenenfoto aus "Square" von wieder einem anderen Jahrgang der DiverCity-Lab-Akademie...

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Der irakische Theatermacher und Performer Abdallah Shmelawi ...

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... zieht die Schlussfolgerung aus seinen Erfahrungen....

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... Er setzt all seine Kraft ein, um die Uniform eines Soldaten zu zerstören und so ...

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...dem Träger der Uniform genauso wie seinen potentiellen Opfern ...

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... die Möglichkeit zu geben, weiterzuleben.

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Im Foyer des Theaterhauses...

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... war dieses Wurf-Box-zelt aufgestellt mit Konterfeis bekannter Polit-Männer...

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... und daneben hing ein Kübel voller ...

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... Paradeiser...

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