„Blindes“ Vertrauen als Basis fürs Raufklettern

Maegan liebt's hoch hinauf
Kinder-KURIER und SchauTV begleiteten die „Sehsternchen“ – blinde und sehschwache Kinder und Jugendliche – zum Klettern in Klosterneuburger Halle. Nun - 12. Dezember 2018, 0.12 Uhr - auch mit SchauTV-Video.

Der lange Gang in der Freizeithalle wenige Minuten vom Bahnhof Klosterneuburg entfernt führt unter anderem vorbei an der Schwimmhalle. Die ist heute nicht das Ziel. Am Ende des Gangs, links abgebogen, eigentlich ein recht kleiner Eingang mit Drehkreuz. Dahinter aber eröffnet sich eine große, hohe Halle – Die Kletterei. Holzwände mit bunten unterschiedlich geformten und verschieden großen Griffen.

An diesem Freitagnachmittag finden sich unter den kleinen und großen, jungen und weniger jungen Menschen, die hier über diese Griffe hin die Höhe steigen, eine Gruppe, die fast alle mit leuchtend gelben T-Shirts unterwegs sind. Der Kinder-KURIER und SchauTV dürfen genau diese „Kraxler“ begleiten. Es handelt sich um die „ Sehsternchen“, die Kinder- und Jugendgruppe der „Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs“.

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Bevor's ans Klettern geht, braucht's Aufwärm- und Vorbereitungsübungen

Erste Schritte

Sarah, Selina, Adriano, Lara, Jonas, Maegan, Dušan und Toprak müssen sich mit Trainern, Eltern und anderen Begleiter_innen zuerst einmal aufwärmen. Bewegungsübungen auf ebener Erde und Partnerübungen, wo die Kinder und Jugendlichen sich durch einfache Berührungen auf Schulter und Rücken führen lassen. Dann geht’s ab auf eine der einfachen Kletterwände über einer der hohen, weichen Fallmatten. Griffe tasten, spüren, wie sich diese anfühlen. Erste Versuche, den einen oder anderen Schritt nach oben. Jene Kinder und Jugendlichen, die gar nichts sehen, wird von unten zugerufen, „weiter links, ein bisschen rauf ...“ – und sie werden händisch von unten gestützt und gehalten.

Nachdem sich die „Sehsternchen“ mit Wand und Griffen ein bisschen angefreundet haben, teilen die Trainer Klettergurte aus. Die werden fast wie Hosen angezogen und festgezurrt. An ihnen finden sich Karabiner mit denen sie sich an die Seile hängen können. Solche baumeln von den höheren Wänden – auch solchen unter denen sich keine Matte findet. Für manche der Sehsternchen ist Klettern nichts Neues.

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Erste Schritte auf dem Weg nach oben

Nur beim ersten Mal ein bisschen Angst

So erzählt die elfjährige Maegan dem Kiku, dass sie schon seit zwei oder drei Jahren hin und wieder klettert. „Aber beim ersten Mal hab ich schon Angst gehabt und da bin ich auch nicht wirklich bis ganz hinauf gekommen. Aber jetzt hab ich keine Angst mehr, auch wenn ich ganz oben bin.“
Das Klettern bereit ihr Spaß: „Da kann man so ganz raufgehen, weil man eh nicht runterfallen kann, weil man gesichert ist. Es braucht schon ein bisschen Kraft in Armen und Beinen, aber es ist nicht anstrengend.“

Extra trainieren muss sie dafür nicht. „Manchmal, wenn mir fad ist, mach ich Übungen, um meine Muskeln zu stärken“, erzählt sie – und kann dies auch für ihre anderen Freizeitbeschäftigungen wie schwimmen, eislaufen oder Rollschuh fahren“ nutzen. „Aber am liebsten geh ich reiten oder treff mich mit Freundinnen und Freunden. Manchmal versuch ich auch, mit meinem Hund zu spielen. Der ist schon ganz alt, aber wenn ich ein Leckerli in die Höhe halte, schaut sie dann rauf.“

Jonas, der demnächst acht Jahre wird sagt: „Ich war jetzt hier das erste Mal klettern, hab aber trotzdem keine Angst gehabt. Ich fühl mich sicher, weil ich in einem Seil drinnen hänge -  auch ganz oben. Er (der Trainer) hat mich einfach super gut gehalten.“ Klettern ist ihm nun aber, so Jonas noch lieber als laufen, schwimmen und Radfahren.

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Hoch und höher

Mit den Händen und Füßen tasten und spüren

Dušan „war schon zwei Mal dabei beim Klettern in Klosterneuburg. Es gefällt mir sehr und ich möchte gern wieder herkommen.“
„Beim ersten Mal“, erinnert sich der 19-Jährige, „war’s ein bisschen schwierig, aber dann ist’s gegangen. Ich seh gar nix, bin seit Geburt blind.“ Und dann beginnt Dušan zu schildern, wie für ihn Klettern abläuft: „Mir wird dann immer gesagt, da ist der Griff und dort der... Die großen Griffe sind für uns Blinde schon leichter zu greifen als die Kleineren. Ich taste dann mit Händen und Füßen bis ich so einen Griff finde. Ich spür mit den Händen und Füßen, wo ich rauf muss und dann zieh ich mich hoch – dort wo halt die größeren Griffe sind.“

Der junge Mann geht gern spazieren, „ich bin so ein Typ, der gerne draußen ist“.
Ob es ihn dann störe, in der Halle drinnen zu klettern, will der Kinder-KURIER wissen. „Also draußen bin ich noch nie geklettert, das möchte ich aber schon einmal machen.“

Fast vier Dutzend Fotos von den "Sehsternchen" in der "Kletterei"

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... Klosterneuburg ...

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Vorbereitungen und ....

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... Aufwärmen in einer ...

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... Ecke der Kletterhalle in ...

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„Blindes“ Vertrauen als Basis fürs Raufklettern

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Der Unterschied ist gar nicht so groß

Stefan, einer der Trainer, klettert selber gern und schraubt in der Halle auch ein paar Routen – das heißt die Griffe für den Weg nach oben – und wieder hinunter.
„Klettern ist meine große Leidenschaft und auch hier in der Halle zu arbeiten. Aber auch draußen, auf Bergen und Felsen, wo immer es geht, klettere ich gerne. In der Natur kann’s ein bisschen schöner sein, wenn man die Sonne im Gesicht oder den Wind spürt. Die Griffe sind natürlich anders als die schönen, bunten, großen Griffe in der Halle – die haben wir draußen auf dem Fels natürlich nicht. Es ist ein bisschen ein anderes Erlebnis, aber im Großen und Ganzen geht es ums Klettern.“

Ob und worauf er als Trainer besonders achten muss, wenn wie an diesem Nachmittag Kinder kommen, die wenig bis gar nichts sehen, wollen wir wissen.
„Also der Unterschied grundsätzlich ist gar nicht so groß. Kinder sind Kinder. Man nimmt sich ein bisschen mehr Zeit für die Erklärungen und man führt sie ein bisschen rein. Diejenigen, die ein bisschen sehen können, finden die Griffe im Allgemeinen selber. Diejenigen, die gar nichts sehen kann man ein bisschen leiten, legt ihnen die Hände auf die Griffe, führt die Füße auf die Tritte. Und wenn sie dann ein bisschen Vertrauen gefasst haben, suchen sie aber selber und finden sie auch selber. Also, der Unterschied ist in Wahrheit gar nicht so groß!“, beschreibt und resümiert der Trainer.

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Die ganze Gruppe - singt für SchauTV ein vorweihnachtliches Lied

Einmal im Monat

Cathrin, Mitarbeiterin der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen, die die „Sehsternchen“ organisiert erzählt, „dass mit dieser Kinder- und Jugendgruppe seit zehn Jahren einmal im Monat eine Aktivität haben, bei der wir alles Mögliche unternehmen. Manchmal ist es eben wie heute klettern. Oder wir gehen in einen Tierpark, wandern oder in ein Museum.“
Da in den meisten Museen Dinge nicht berührt werden dürfen, „können wir natürlich nur in ausgewählte wie ins Kindermuseum Zoom“, wo es immer ums Be-greifen geht.

https://www.hilfsgemeinschaft.at/kindergruppe-sehsternchen

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Hier der SchauTV-Beitrag

gedreht von Hannes Wappl

schau LEBEN - Verein Sehsternchen

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