Was Zimmerpflanzen wirklich können
Pflanzen in den eigenen vier Wänden oder am Arbeitsplatz machen was her. Den Hobbygärtner erfreut zudem jede Blüte. Bisher galt das Grünzeug auch förderlich für ein gesundes Raumklima. Jetzt haben US-Forscher aber herausgefunden, dass die Fähigkeiten von Efeu, Drachenbaum und Co. zur Luftreinigung viel geringer ist, als bislang angenommen. Ihre Studie über flüchtige organische Verbindungen in Wohnungen sind im „Journal of Exposure Science and Environmental Epidemiology“ veröffentlicht.
Metastudie
„Pflanzen sind großartig, aber sie reinigen die Raumluft nicht schnell genug, um einen Effekt auf die Luftqualität ihres Zuhauses oder ihres Büros zu haben“, erläutert Michael Waring vom Drexel University College of Engineering in Philadelphia. Gemeinsam mit seinem Kollegen Bryan Cummings überprüfte er ein Dutzend Untersuchungen aus 30 Jahren und stellte fest, dass der Luftaustausch in Zimmern - ob natürlich oder durch Belüftungssysteme - die Konzentration flüchtiger organischer Verbindungen (VOC, Volatile Organic Compounds) viel schneller senkt, als es Pflanzen können.
Pflanzen selbst sondern auch VOC ab, was sich für die meisten Menschen beispielsweise bei einem Waldspaziergang wohltuend auswirkt. Daneben gibt es aber auch VOC in Form von Lösemitteln und anderen synthetisch hergestellten Stoffen, die ab einer bestimmten Konzentration schädlich wirken können. Bei letzteren wurde bisher angenommen, dass Zimmerpflanzen diese effektiv aus der Luft filtern könnten - eine Annahme, die nun widerlegt scheint.
Zimmerpflanze versus Natur
Christian Lindermayr und Andrea Ghirardo vom Helmholtz Zentrum München überrascht dieses Ergebnis nicht. So habe schon die Untersuchung von Stickstoffmonoxid (NO) ergeben, dass Pflanzen diesen zwar messbar aufnehmen können, allerdings in viel geringerem Maße als erhofft, so Biochemiker Lindermayr. Sein Kollege Ghirardo ergänzt mit Blick auf VOC, Untersuchungen in Wäldern hätten durchaus gezeigt, dass Bäume in der Lage seien, deren Konzentration zu senken. „Wie und ob das mit Pflanzen in Innenräumen funktioniert, ist allerdings noch nicht hinreichend erforscht.“ Zudem würden manche Pflanzen einen besseren Gasaustausch schaffen als andere, darunter beispielsweise tropische Gewächse, die unter der dichten Baumdecke der Regenwälder mit wenig Licht auskämen.
Nasa befeuerte Irrglauben
Für Waring und Cummings hat der weit verbreitete Irrglaube seinen Ursprung in einem berühmt gewordenen Experiment der Nasa. Die US-Raumfahrtbehörde experimentierte 1989 mit Pflanzen, um die Luft in Raumschiffen zu verbessern, und erklärte danach, dass diese im Räumen krebserregende Chemikalien aus der Luft entfernen. Das Problem bei solchen Experimenten sei jedoch, so Waring, dass sie in einer geschlossenen Kammer in einem Labor durchgeführt worden seien - also einer Umgebung, die wenig mit einer Wohnung oder einem Büro gemein habe.
Kritik an Experimenten
Die Umweltingenieure schreiben: „Typisch für diese Studien ist beispielsweise, dass eine Topfpflanze in eine versiegelte Kammer gestellt wurde - oft mit einem Volumen von einem Kubikmeter oder weniger - in die eine einzelne flüchtige organische Verbindung eingelassen wurde.“ Deren Zerfall sei dann über den Verlauf von vielen Stunden oder gar Tagen verfolgt worden. Um die realen Effekte von Zimmerpflanzen auf die Luftqualität zu überprüfen, wandten Waring und Cummings nun die Clean Air Delivery Rate (CADR) an. Dieser Bewertungsstandard misst die Effizienz von Luftreinigern. Dabei wird die Raumgröße und das Volumen der pro Minute produzierten Reinluft berücksichtigt und die Entfernung von wichtigen Schadstoffen aus der Raumluft bewertet.
Lüften reinigt Luft besser als Topfpflanzen
Für fast alle untersuchten Studien konnten Waring und Cummings diesen CADR-Wert berechnen. Die beiden stellten dabei fest, dass die Rate, mit der Pflanzen den Anteil flüchtiger organischer Verbindungen reduzieren, erheblich geringer war als die beim Luftaustausch in Gebäuden. Der Gesamteffekt von Pflanzen auf die Raumluftqualität spielte also kaum eine Rolle. Nach Berechnungen von Waring und Cummings wären zwischen 10 und 1000 Pflanzen pro Quadratmeter Nutzfläche erforderlich, damit diese mit dem Lüftungssystems eines Gebäudes oder sogar nur mit ein paar offenen Fenstern in einem Haus konkurrieren können.
Wohlbefinden steigt
Dennoch plädieren die Autoren der Studie nun nicht dafür, auf Topfpflanzen etwa in Büros zu verzichten. „Indem Zimmerpflanzen dazu beitragen, ein biophileres Raumklima zu schaffen, können sie sich positiv auf das Wohlbefinden der Menschen auswirken, was sich auch in Produktivitätsverbesserungen für Unternehmen niederschlagen kann“, schreiben sie - ein Aspekt, den auch Lindermayr und Ghirardo betonen.
Biophilie ist die Liebe zum Lebendigen. Zudem setzten Pflanzen mit der Photosynthese Sauerstoff frei und nähmen Kohlendioxid auf, was positiv für die Luftqualität sei, sagt Ghirardo und fügt hinzu: „Außerdem sind sie nachhaltig, erneuerbar und benötigen im Vergleich zur energieverbrauchenden modernen Filtertechnologie weniger Wartung.“ Gerade in einer relativ geschlossenen Umgebung wie den energiesparenden Passivhäusern könnten Pflanzen durchaus nützlich für die Luftqualität sein.
Allerdings stecke das Wissen über die Luftreinigung durch Pflanzen noch in den Kinderschuhen - hier seien noch ein gutes Stück Forschung nötig.
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