Studie: Wer Bio isst, hat geringeres Krebsrisiko

High angle view of male and female friends cutting vegetables
Das Essen biologisch angebauter Lebensmittel könnte das Krebsrisiko senken. Kritiker zweifeln an den Ergebnissen.

Menschen, die auf "Bio" setzen, haben ein geringeres Risiko an Krebs zu erkranken. Das zeigt eine aktuelle Studie des Forschungszentrums für Epidemiologie und Statistik in Paris. Die Forscher analysierten die Daten von fast 70.000 französischen Erwachsenen und konnten zeigen, dass jene, die auf konventionell angebaute Lebensmittel verzichteten, bestimmte Krebsarten weniger häufig hatten. Das gilt insbesondere für das Non-Hodgkin-Lymphom (Lymphkrebs) und Brustkrebs. Über einen Zeitraum von fünf Jahren wurden die Teilnehmer befragt – es kam zu 1400 Krebsfällen. Bei jenen, die Bio-Lebensmittel konsumierten, war das Krebsrisiko um 25 Prozent reduziert.

Weniger Pestizide und Medikamente

Die Wissenschaftler erklären das reduzierte Risiko damit, dass diejenigen, die Bio-Produkte essen, den chemischen Pestiziden und Medikamenten, etwa Antibiotika, die normalerweise zur Behandlung von konventionell angebautem Obst, Gemüse sowie von Fleisch und Fisch verwendet werden, nicht ausgesetzt sind. Rund 44 Prozent der konventionellen Lebensmittel enthalten laut den französischen Forschern Pestizide, bei Bio-Produkten sind es nur 6,5 Prozent.

"Aufgrund ihrer geringeren Exposition gegenüber Pestizidrückständen kann die Hypothese aufgestellt werden, dass Verbraucher mit häufigem Konsum von Bio-Lebensmitteln möglicherweise ein geringeres Risiko haben, an Krebs zu erkranken", sagte die Erstautorin der im JAMA Internal Medicine Journal veröffentlichten Studie, Julia Baudry. "Wenn sich die Ergebnisse bestätigen, könnte die Förderung des Verzehrs von Bio-Lebensmitteln in der Allgemeinbevölkerung eine vielversprechende präventive Strategie gegen Krebs sein." Baudry gab allerdings zu bedenken, dass Bio-Lebensmittel anscheinend keine Auswirkungen auf das Risiko von Darm- oder Prostatakrebs haben.

Kritik an Studie

Kritiker der Studie, etwa Frank Hu von der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston, halten es für zu früh, von Beweisen zu sprechen, dass Bio tatsächlich gesünder ist. Es sei schwierig, den Konsum von Bio-Lebensmitteln zu erfassen, da man auf die Angaben der Teilnehmer angewiesen sei. Andere Faktoren für das Krebsrisiko, wie das eigene Körpergewicht oder Bewegung, seien besser belegt.Andere Ergebnisse zeigt etwa die Million Women Study, die Frauen mittleren Alters untersucht. Auch sie hatten via Fragebogen angegeben, wie häufig sie Bio-Lebensmittel aßen. In den 9,5 Jahren der Nachbeobachtung erkrankten sie aber nicht seltener an Krebs. Brustkrebserkrankungen taten laut den Autoren der 2014 im British Journal of Cancer veröffentlichten Studie sogar häufiger auf. Einzig für das Non-Hodgkin-Lymphom konnte ein schützender Effekt gezeigt werden.

Gefährlich für Menschen?

Dennoch: Die Frage, ob Pestizide die menschliche Gesundheit gefährden, beschäftigt. Pestizide werden dazu eingesetzt, Unkraut und Schädlinge zu bekämpfen. Ob sie auch auf den Menschen wirken, darüber gibt es heftige Auseinandersetzungen, wie das Beispiel des Mittels Glyphosat zeigt. Das weltweit am häufigsten eingesetzte Pestizid wurde 2015 von der Internationalen Agentur für Krebsforschung als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft. Andere Expertengremien, etwa das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wiederum meinten, dass Glyphosat unbedenklich sei, sofern es vorschriftsgemäß eingesetzt werde. Ein richtungsweisendes Urteil fiel allerdings im August diesen Jahres: Ein US-Gericht verurteilte den Agrarkonzern Monsanto zur Zahlung von 289 Millionen Dollar (253 Millionen Euro) Schmerzengeld, weil seine glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmittel Krebs verursacht haben sollen.

In der EU sind Höchstwerte für Rückstände der Pflanzenschutzmittel in Lebensmitteln in einer Verordnung festgelegt. Die Mitgliedstaaten sind dazu verpflichtet, regelmäßige Berichte zu Rückständen der Pflanzenschutzmittel zu erstellen. In Österreich ist dafür die Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) zuständig. Sie kontrolliert über Proben aus bestimmten Lebensmitteln Proben die Rückstände von Pestiziden in Produkten, die in Österreich verfügbar sind.

Die letzten veröffentlichten Ergebnisse stammen aus dem Jahr 2016. Untersucht wurden 13 verschiedene Lebensmittel, darunter Paprika, Kirschen, Kopfsalat, Spinat, Milch, Trockenfrüchte und Weintrauben. Von diesen Produkten wurden insgesamt 782 Proben gezogen. Bei 14 der Proben wurde eine Überschreitung der in der EU-Verordnung festgelegten Höchstgehalte für Pestizide festgestellt. Laut AGES haben die Höchstgehalts-Überschreitungen seit 2008 aber stark abgenommen. Gesetzliche Höchstwerte würden den Import stark belasteter Ware innerhalb Europas verhindern. Auch Pestizidreduktionsprogramme der Handelsketten und eine verbesserte Agrarpraxis vonseiten der Erzeuger würde zur steigenden Qualität der Lebensmittel in Österreich beitragen.

Grenzwerte in Frage gestellt

Ein aktueller Test der Arbeiterkammer Wien, der Anfang Oktober veröffentlicht wurde, zeigt ähnliche Ergebnisse: In Wien angebotenes Obst und Gemüse ist oft gespritzt. Bei zwei von drei geprüften Proben sei dies der Fall gewesen, hieß es am Dienstag in einer Aussendung. Allerdings seien die Rückstände der Schädlingsbekämpfungsmittel immer unter den zulässigen Grenzwerten gelegen, wurde betont. Die AK hat 50 in- und ausländische Produkte untersucht. Bei 18 konnten keine Pestizide festgestellt werden - es handelte sich um 15 inländische und drei ausländische Proben. Der Rest wies eine Belastung auf, wobei Obst generell mehr betroffen war als Gemüse.

Die Arbeiterkammer setzt sich aufgrund ihrer Testergebnisse dafür ein, die bestehenden Grenzwerte zu überprüfen. Viele Schädlingsbekämpfungsmittel hätten hormonelle Wirkungen. Und: Die Experten der AK empfehlen, eher Bioprodukte zu kaufen und Obst und Gemüse vor dem Essen gut abzuwaschen.

Aber nicht nur Lebensmittel, die mit Pestiziden behandelt wurden, könne belastet sein. Die Umweltorganisation Global 2000 warnt in einem heuer erschienen Bericht vor dem unerwünschten Verwehen oder aus dem Boden Auswaschen von Pestiziden. "Bio-Flächen werden kontaminiert, Ackerpfützen werden zu Giftcocktails, Blumenwiesen zur Insektenfalle und das Frühstück im eigenen Garten zum Fiasko", schrieb die NGO in einer Aussendung. "Häufige Begleiterscheinungen sind Augenbrennen, Atembeschwerden, Kopfschmerzen, manchmal auch Schwindel und Hautreizungen", erläuterte Helmut Burtscher-Schaden von Global 2000 und führte an, dass die behördlichen Zuständigkeiten bei Abdrift-Fällen unklar seien. Solche Fälle werden derzeit allerdings nicht dokumentiert.

Die im Report angeführten Berichte über gesundheitliche Beeinträchtigung würden zudem zeigen, dass der gesetzliche Anspruch der EU-Pestizidverordnung, dass Pestizide "keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit" haben dürften, in der Praxis nicht hält.

Kommentare